Das Insektensterben 

Nachdem bereits im Sommer 2017 die ersten erschreckenden Daten einer langjährigen, ehrenamtlichen Studie zum Thema Insektensterben bekannt gegeben wurden, kam nur ein paar Monate später die Bestätigung renommierter Wissenschaftler: Die Zahlen stimmen – und sie sind mehr als nur ein Warnschuss.

Ganze 76 Prozent an Rückgang der Insektenmasse müssen wir hier in Deutschland verzeichnen. Über 27 Jahre hinweg sammelte der entomologische Verein in Krefeld die Biomasse von Insekten. Dafür stellten sie „Fallen“ auf, die sie an knapp über 60 verschiedenen Standorten in ganz Deutschland verteilten.

Die Fluginsekten flogen in die Sammelbehälter und wurden dort konserviert. Diese Prozedur zog sich über Jahre hinweg. Schließlich analysierte die niederländische Universität Radboud die Ergebnisse des Vereins und veröffentlichte sie.

Drastische Entwicklung

Was sie herausfanden, beschäftigt nun die Welt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass vor allem die Veränderungen in der Pflanzenwelt und der Klimawandel eine Rolle beim Verschwinden der Insekten spielen. Der Einsatz von Spritzmitteln und das Abholzen von Wäldern sind ebenfalls Faktoren, die die kleinen Tiere direkt betreffen – und bedrohen.

Viele Experten, die sich bereits seit einiger Zeit mit dem Thema auseinandersetzen, beurteilen die Ergebnisse der Studie als gravierend. So beispielsweise Johannes Steidle, Professor für Tierökologie an der Universität Hohenheim. Er ist schockiert über die drastische Entwicklung. Da viele der untersuchten Gebiete als naturgeschützt galten, sei er darüber besorgt, wie es in ungeschützten Gegenden erst zugehe. Das Ausmaß sei „kaum vorstellbar“.

Artenvielfalt in GefahrArtenvielfalt Insekten

Lernen lässt sich daraus vor allem eins: Stillstand gibt es nicht. Es muss etwas getan werden. Aber warum eigentlich? Sind Insekten nicht größtenteils eine Plage, die sich auf alles und allem absetzt, an den Nerven zerrt und zu allem Übel auch oft stechen kann? Immer wieder wird vergessen, was der eigentliche Wert ist, den Insekten in unserem Leben haben. In Deutschland gibt es etwa 55.000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten.

Bei über zwei Drittel davon handelt es sich um Insekten (gemäß der Aussage von Prof. Streit, Goethe-Universität und Sprecher von BioFrankfurt e.V.). Man stelle sich also die Masse der Arten vor, die verloren ginge, wenn die Insekten tatsächlich aussterben.

Ein erschreckender Gedanke dabei ist unser Unwissen. Man sagt, was man nicht kennt, kann man nicht vermissen. Aber auch wenn eine Käferart ausstirbt, von der wir vielleicht noch nie zuvor etwas gehört haben, dann ist es doch eine Art, die es so nie wieder geben wird.

Nicht nur Insekten sind betroffen 

Und nicht nur die Artenvielfalt der Krabbeltiere ist in Gefahr: Da in unserer Umwelt alles miteinander verknüpft ist, bedeutet der Schwund eines Lebewesens gleichzeitig eine Veränderung für ein anderes. Wenn also die Masse der Insekten abnimmt, verlieren auch viele Vogelarten ihre Nahrungsgrundlage.

So ist es kein Wunder, dass heute, im Gegensatz zu 1980, mehr als die Hälfte der Brutpaare in landwirtschaftlichen Gebieten verschwunden sind. In einer konkreten Zahl ausgedrückt: Das sind 300 Millionen Brutpaare weniger in den letzten dreißig Jahren.

Kleine Tiere – Großer Wert

Auch wenn man die stetig sinkende Zahl der Vögel außer Acht lässt, gibt es noch genug andere Gründe, warum wir uns gegen den Insektenschwund stark machen sollten. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des ökologischen Kreislaufs. Müllverwertung ist beispielsweise eine wichtige Aufgabe, die von Insekten übernommen wird.

Wohin mit all dem Laub oder unserem Biomüll, wenn die kleinen Krabbler ihn nicht verwerten und zu fruchtbarer Erde und Humus weiterverarbeiten würden? Auch der sogenannte „Totengräber“, ein Käfer, der seinem Namen alle Ehre macht, arbeitet in unserem Interesse. Er entsorgt die sterblichen Überreste kleiner Waldtiere. Viele Insekten tragen außerdem zur Bestäubung bei. Dazu gehören sowohl die Honigbiene, doch auch die Wildbiene, Käfer, Fliegen und viele mehr.

Die Biene als wichtigstes Nutztier

Ein besonders wichtiges Insekt ist und bleibt die Biene. Auch sie ist vom Insektensterben betroffen. Dabei brauchen wir sie mehr als jedes andere Nutztier. Ohne ihre Bestäubung wird unsere Artenvielfalt in noch viel höherem Maße zurückgehen. Wir, die so vieles aus der Natur beziehen, hätten dann mit großen Einbußen zu rechnen.

Auf ein Drittel unserer Lebensmittel müssten wir verzichten, wenn die Biene nicht mehr für die natürliche Bestäubung sorgt. Woran viele nicht denken: Die Biene hat die besondere Eigenschaft, Sympathie bei uns Menschen zu wecken. Durch ihre Präsenz wird bei vielen das Bewusstsein für unsere Umwelt verstärkt.

Stark machen für die Kleinsten

Aus diesen – und vielen weiteren – Gründen darf das Thema Insektensterben nicht in Vergessenheit geraten. Auch wenn die Berichterstattung in den Medien wieder abnimmt, ist es wichtig, dass die Krise der Bienen (und aller anderen Insekten) ein Thema bleibt.

Nur so kann etwas verändert werden und das vermeintlich Unvermeidliche letztendlich doch noch gestoppt werden, bevor es zu einer Katastrophe kommt. Schon jetzt verlieren wir Dinge, deren Wert uns gar nicht bewusst ist. Wie wird es erst unseren Kindern und Enkeln gehen?

Sie müssen in einer Zukunft aufwachsen, in der es die heutige Vielfalt unserer Welt schon lange nicht mehr geben wird.

Artikel aus der "BienenZeitSchrift Ausgabe 1 | 2017"

Hallo,

ich bin Julia Mähl.

Julia Mähl ist freie Journalistin und studiert an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Sie hat im Jahr 2017 proBiene mit Recherche und Textarbeit unterstützt.

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