Was Schülerinnen und Schüler über Bienen denken 

Was Schülerinnen und Schüler über Bienen denken

„Ich würde schon sagen, dass es vielleicht sogar schlimmer wäre, wenn die Hummel ausstirbt. Die Hummel hat halt eher den Job, sage ich jetzt mal, zu bestäuben und die Honigbiene ist in meinen Augen die, die Honig macht.“ (Fiona, 12 Jahre)

 

„Also ich würde sagen, beide sind ziemlich wichtig für die Natur, aber die Honigbiene ist tatsächlich ein bisschen wichtiger, weil sie halt mehr Blüten bestäubt.“ (Paul, 13 Jahre)

Beide Zitate stammen von Schülerinnen und Schülern der siebten Klasse einer Realschule und offenbaren Vorstellungen über die ökologische Bedeutung von Honigbienen und Hummeln. Auf den ersten Blick erscheinen beide Aussagen verschieden, doch welche stimmt? Wie kommt es, dass die Vorstellungen so verschieden sind? Und was denken andere?  

Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich Schülervorstellungen zur ökologischen Bedeutung von Honig- und Wildbienen erfasst und miteinander verglichen. Stellvertretend für die vielfältige Gruppe der Wildbienen wurde hierfür die Hummel ausgewählt. Insgesamt habe ich sieben Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse einer Realschule in Ludwigsburg interviewt und die Interviews anschließend systematisch ausgewertet, um eine Überblick über deren Vorstellungen zu erlangen. Der folgende Blogbeitrag soll einen Überblick über die Ergebnisse geben sowie die auffälligsten Erkenntnisse aufzeigen.

Was sind Schülervorstellungen überhaupt?

Schülervorstellungen, oft auch als Alltagsvorstellungen und Präkonzepte bezeichnet, bieten Lernenden die Möglichkeit, verschiedene Erfahrungen, Phänomene und Eindrücke aus dem Alltag sinnvoll zu erklären. Somit haben Schülerinnen und Schüler, aber auch Erwachsene, eigene Vorstellungen der Realität. Diese Vorstellungen entsprechen im besten Fall denen der Wissenschaft, weisen jedoch häufig Abweichungen auf. Geprägt werden sie durch Medien, vergangene Unterrichtsstunden und vor allem individuelle Erfahrungen, Handlungen sowie Gespräche mit Familie und Freunden, was auch die unterschiedlichen Vorstellungen von Fiona und Paul erklären kann (vgl. Gropengießer und Kattmann 2013; Duit 1992). Dementsprechend hat jeder individuelle Vorstellungen über die ökologische Bedeutung von Bienen. Erst durch die Erhebung dieser Präkonzepte erkennt man, welches Verständnis Schülerinnen und Schüler über die Bedeutung von Bienen haben und vor allem, wo es zukünftig noch mehr Förderung bedarf. Im Unterricht und beim Lernen allgemein gilt es dann, an individuelle Vorstellungen anzuknüpfen und diese zu adaptieren (vgl. Kattmann 2017), sodass letztendlich ein Bewusstsein für die enorme Bedeutung von Bienen entstehen kann.

Wer ist nun wichtiger – Honigbiene oder Wildbiene?

Die Wissenschaft hat meist genaue Vorstellungen über die Realität. So auch in Bezug auf die ökologische Bedeutung von Bienen. Die Frage, ob Honig- oder Wildbienen wichtiger sind, klingt kompliziert, ist jedoch eigentlich leicht zu beantworten:  Beide sind für uns Lebewesen und die Natur unersetzlich. Bienen gelten als besonders wichtig für die Bestäubung von Wild- und Nutzpflanzen. Zur Ernährung und Fütterung der Larven mit Pollen und Nektar bedarf es vielen Blütenbesuchen, wodurch die Bestäubungsrate signifikant höher liegt als bei anderen Insekten (vgl. Westrich 2011). Sieben Achtel der Insektenbestäubung in Mitteleuropa wird durch Bienen vollzogen. Davon nimmt die Honigbiene wiederum den größten Teil ein, indem sie 2000 bis 3000 der heimischen Pflanzen und somit auch einige unserer Nutz- und Zierpflanzen bestäubt. Während Honigbienen durch ihre enorme Völkergröße, den dadurch sowie durch die Honigproduktion großen Bedarf an Nektar und Pollen und ihre hohe Blütenstetigkeit auf Quantität beim Sammeln und dadurch auf Massentrachten ausgerichtet sind, bestäuben Wildbienen Pflanzen, welche in geringer Individuenzahl auftreten und dadurch von Honigbienen nicht angeflogen werden. Wildbienen füllen somit Bestäubungslücken. Obwohl Honigbienen als Generalisten gelten, wird erst durch die Artenvielfalt der Wildbienen und den individuellen Sammelmechanismen und -vorteilen ein breiteres Spektrum an verschiedenen Blüten bestäubt. Somit ist die Kombination von Honig- und Wildbiene für Wild- und Nutzpflanzen und somit auch für uns unabdingbar. Die ökologischen Auswirkungen der Bestäubung sind weitreichend. So sind Bienen als Bestäuber essenziell für den Erhalt einiger Lebensräume, Insekten- und Vogelarten sowie der Vielfalt an Blütenpflanzen (vgl. Hintermeier und Hintermeier 2017). Nicht zuletzt profitiert auch der Mensch von den Bienen, denn fast ein Drittel der Nahrungsmittel ist der fleißigen Arbeit der Bienen zu verdanken (vgl. Benjamin et al. 2009).

Was stellen sich Schülerinnen und Schüler vor und was bedeutet das für die Zukunft?

Die erfassten Schülervorstellungen weisen eine enorme Heterogenität auf, weshalb verallgemeinernde Aussagen nur schwer getroffen werden können, Gemeinsamkeiten lassen sich jedoch. In den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler sind sowohl Honigbienen als auch Hummeln als wichtige ökologische Akteure verankert. Insgesamt ist die Verbindung zwischen Bienen und Bestäubung bei den Lernenden der siebten Klasse sehr präsent. Somit erkennen diese sowohl Honigbienen als auch Hummeln als bedeutsam für die Pflanzenwelt, haben jedoch meist falsche Vorstellungen bezüglich der Bedeutung der Bestäubung. So stellen sie sich beispielsweise vor, dass erst bestäubte Pflanzen wachsen können oder dass bestäubte Pflanzen besser wachsen als unbestäubte. Sie erfassen Bienen als wichtig für den Erhalt der Pflanzen, können diesen Gedanken jedoch nicht weiterführen, indem sie beispielsweise erkennen, dass dadurch ausreichend Nahrung zur Verfügung steht. Insgesamt kommen Früchte als Ergebnis der Bestäubung somit nur sehr selten in den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler zur ökologischen Bedeutung von Bienen vor, wodurch auch der Nahrungsaspekt vollkommen vernachlässigt wird, was überraschend erscheint. Des Weiteren ist zu erkennen, dass keine klaren Vorstellungen zur Beziehung zwischen Bestäubung, Samenbildung und -ausbreitung sowie Früchten bestehen.

Unterschiede in den Vorstellungen zur ökologischen Bedeutung von Honigbiene und Hummel sind nur gering ausgeprägt. Der Aspekt der Honigproduktion kommt in den Vorstellungen aller Befragten bezüglich der Bedeutung der Honigbiene auf, was die größte Abgrenzung zur Hummel darstellt. Des Weiteren kommen sowohl Schülervorstellungen vor, welche Honigbienen als ökologisch relevanter betrachten, als auch Vorstellungen, in denen Hummeln eine wichtigere ökologische Rolle spielen, wodurch sich keine verallgemeinernde Tendenz erkennen lässt. Sowohl Honigbienen als auch Hummeln werden von den Lernenden als relevant für den Erhalt von Pflanzen angesehen, indem diese mit dem Bestäubungsprozess verbunden werden. Vereinzelt stellen sich Schülerinnen und Schüler vor, dass Honigbienen bessere Bestäuber sind, indem sie mehr Blüten anfliegen und mehr Pollen transportieren können als Hummeln. Einige Lernende stellen sich jedoch Hummeln als bessere Bestäuber vor, da sie Honigbienen die Aufgabe der Honigproduktion zuteilen und diese somit in ihren Augen nur wenige Blüten bestäuben. Hier lässt sich vermuten, dass bei der Wahl einer anderen Vertreterin der Wildbienen, wie beispielhaft der Holzbiene, größere Unterschiede in den Vorstellungen vorkommen.

Insgesamt wurde deutlich, dass bei den befragten Personen wenig wissenschaftlich korrektes Vorwissen vorhanden ist und somit auch deren Vorstellungen nur selten dem wissenschaftlichen Konzept entsprechen, obwohl die Themen im Unterricht meist behandelt wurden. Sie stellen sich Bienen zwar ausnahmslos als wichtig für die Umwelt vor, haben jedoch meist wissenschaftlich falsche Vorstellungen bezüglich deren genauen Bedeutung. Zukünftig gilt, sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext, das Bewusstsein für die enorme Bedeutung von Bienen zu fördern und vor allem Kindern genau beobachten zu lassen. Was genau macht die Biene so wichtig? Was ist der Unterschied zwischen Honig- und Wildbiene? Wieso müssen wir Wildbienen schützen und unterstützen? Warum ist die Arbeit des Imkers so wichtig? Hierbei müssen meiner Meinung nach für die umfassende Bearbeitung dieses Themas sowohl Honig- als auch Wildbienen thematisiert, aber auch klar voneinander unterschieden sowie einen Bezug zu den Schülerinnen und Schülern hergestellt werden, beispielsweise indem man überlegt, welche Auswirkungen der Bienen- und Insektenrückgang auf jeden einzelnen haben kann.

Literatur

Benjamin, Alison; MacCallum, Brian; Dierlamm, Helmut (2009): Welt ohne Bienen. Wie das Sterben einer Art unsere Zivilisation bedroht. Köln: Fackelträger.

Duit, Reinders (1992): Forschungen zur Bedeutung vorunterrichtlichen Vorstellungen für das Erlernen der Naturwissenschaften. In: Kurt Riquarts (Hg.): Naturwissenschaftliche Bildung in der Bundesrepublik Deutschland. Kiel: IPN, S. 47-84.

Gropengießer, Harald; Kattmann, Ulrich (2013): Arbeiten mit Schülervorstellungen. In: Harald Gropengießer, Ute Hams und Ulrich Kattmann (Hg.): Fachdidaktik Biologie. Die Biologiedidaktik. 9. Auflage. Seelze: Aulis Verlag, S. 12-15.

Hintermeier, Helmut; Hintermeier, Margrit (2017): Bienen, Hummeln, Wespen im Garten und in der Landschaft. 8. Auflage. München: Obst- und Gartenbauverlag.

Kattmann, Ulrich (2017): Die Bedeutung von Alltagsvorstellungen für den Biologieunterricht. In: Ulrich Kattmann (Hg.): Biologie unterrichten mit Alltagsvorstellungen. Didaktische Rekonstruktion in Unterrichtseinheiten. Seelze: Klett Kallmeyer, s. 6-13.

Westrich, Paul (2011): Wildbienen. Die anderen Bienen. München: Pfeil.

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ich bin Jule Reiling.

Jule Reiling studiert die Fächer Biologie und Mathematik für die Sekundarstufe I. Als Mitarbeiterin im Projekt "Biene zu Besuch" erarbeitet sie Unterrichtskonzepte und Materialien.

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