Floristische Kartierung 

Wer suchet, der findet – oder auch nicht?

Unsere Natur verändert sich. Manche Arten verschwinden, neue Arten werden heimisch. Was vor zwanzig Jahren noch weit verbreitet war, ist nun vielleicht kaum mehr zu finden. Wer sich mit der heimischen Flora beschäftigt, dem fällt auf, dass sich hier vieles verändert hat – leider nicht unbedingt zum Guten. Um herauszufinden, ob alteingesessene Pflanzen tatsächlich noch dort wachsen, wo man sie vermutet oder ob sie durch neue verdrängt wurden, begeben sich fleißige Pflanzenkenner auf die Suche nach der Wahrheit.

Baden-Württemberg unter der Lupe

Mithilfe einer sogenannten „Floristischen Kartierung“ werden seit 2008 alle Pflanzen in Baden-Württemberg erfasst und Daten gesammelt, die Aufschluss über die Flora im Ländle geben sollen. Wie viele Arten sind in den letzten Jahren ausgestorben, ohne dass es bemerkt wurde? Welche Pflanzen haben sich aus anderen Regionen, vielleicht aus fernen Ländern angereichert und sprießen nun aus dem heimischen Boden? Und was könnten Gründe für die Veränderungen in unserer Natur sein?

Die letzte vollständige Floristische Kartierung endete im Jahr 1998. Die alleinige Dauer dieser Kartierung (1975 bis 1998) gibt Aufschluss darüber, wie zeitintensiv und gründlich die Erfassung aller Pflanzen in gerade mal einem Bundesland ist.

Historische Ergebnisse

Schon die „alten“ Aufzeichnungen aus dem 19. Jahrhundert verzeichnen einen starken Rückgang mancher Arten, so ist zum Beispiel die Bodensee-Segge (allgemein eher bekannt als das Bodensee-Vergissmeinnicht) komplett verschwunden. Drastische Rückgänge gab es beim Wanzen-Knabenkraut und dem Berg-Wohlverleih, einer kleinen gelben Blume mit schmalen Blütenblättern, auch bekannt als Echte Arnika. Auch wenn die Namen nicht gleich jedem bekannt sind, ist doch allein das Verschwinden mancher Arten besorgniserregend. Die große Frage ist nun: Welche Erkenntnisse wird die neue Untersuchung bringen und was bedeutet sie für unser Ökosystem.

Neu gegen alt?

Erste Ergebnisse zeigen, dass die sogenannten Neophyten in unserer heimischen Flora deutlich zunehmen. Neophyten sind Pflanzenarten, die aus keiner bestimmten Region oder geografischen Zone stammen und sich erst in der letzten Zeit angesiedelt haben. Ihre Sporen werden von Fahrzeugen in neue Gebiete getragen, von wo aus sie sich ungehindert verbreiten können.

Bisher kann man allerdings sagen, dass deren Ausbreitung nicht direkt zu einem Rückgang anderer, eventuell gefährdeter, Arten führt. Das liegt vor allem daran, dass Neophyten an Stellen wachsen, die für heimische Pflanzen nicht sonderlich attraktiv sind – zum Beispiel an Autobahnen oder in Städten. Neue Gebiete, die bebaut werden, sind also keine Gefahr für Neophyten, es vernichtet aber gleichzeitig wichtigen Lebensraum aller Pflanzenarten, die auf der Roten Listen stehen. Kein Wunder also, dass sich manche Arten deutlich zurückziehen – ihnen fehlt schlichtweg der Lebensraum.

Veränderungen durch den Klimawandel

Bisherige Einblicke in die neugewonnenen Daten ergeben außerdem, dass alle Arten, die resistent gegenüber höheren Temperaturen sind, deutlich höhere Überlebenschancen haben. Dass wärmeliebende Pflanzen sich wesentlich besser ausbreiten, mag zum einen am Klimawandel und der globalen Erwärmung liegen. Es wird jedoch auch durch die Urbanisierung begünstigt, denn oft bilden sich in und um Städte herum sogenannte Hitzeinseln.

Doch auch die Überdüngung in der Landwirtschaft führt zu Veränderungen. Wenn im Boden zu viele Nährstoffe (z.B. Stickstoff) angereichert werden, kann der Wachstum mancher Pflanzen nicht mehr kontrolliert werden. In Baden-Württemberg gibt es einige Pflanzen, die mit erhöhtem Stickstoffgehalt im Boden weit besser zurechtkommen als andere. Zufall ist es also keiner, dass genau diese Pflanzen sich weitaus stärker ausbreiten als andere.

Für die Arten, die sich auf der Roten Liste befinden, sieht es aktuell schlecht aus. Viele von ihnen haben weiterhin einen starken Rückgang zu verzeichnen, nur wenige können sich noch halten. Aussagekräftige Ergebnisse kann es jedoch erst nach Abschluss der Kartierung geben. Bis dahin gilt:

Jede helfende Hand ist willkommen!

Wer sich für die heimische Flora interessiert und gerne einer der 150 Freiwilligen sein möchte, die bei der Floristische Kartierung tatkräftig mithelfen, kann sich entweder auf der Webseite  über Aktuelles und Termine schlau machen oder direkt mit Dr. Arno Wörz  (Staatliches Museum für Naturkunde in Stuttgart) in Verbindung setzen. Er kümmert sich um Leitung und Koordination des Projekts und stellte außerdem alle Informationen für diesen Beitrag zur Verfügung. Bei ihm können außerdem auch eigene Funde gemeldet werden. Weitere Informationen hierzu gibt es ebenfalls auf der Webseite. Unterstützt wird das Projekt von Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und der Botanischen Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland e. V.

Falls du dich näher für die Flora Deutschlands interessierst, findest du hier einen Artikel über die Goldrute aus unserem Blog.

Hallo,

ich bin Julia Mähl.

Julia Mähl ist freie Journalistin und studiert an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Sie hat im Jahr 2017 proBiene mit Recherche und Textarbeit unterstützt.

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