Ein neues Leitbild durch das Volksbegehren 

Rede am finalen Runden Tisch des Volksbegehrens Artenschutz am 18.12.2019:

Wir haben im Februar dieses Jahrs begonnen mit der Idee des Volksbegehrens Artenschutz „Rettet die Bienen“. Als zwei Berufsimker mit fast keinem Euro in der Tasche, dafür aber mit Mut – und unserem festen Willen. Wir wurden von vielen unterstützt und freuen uns, dass das Thema Artenschutz heute in der Gesellschaft angekommen ist und wir einen Weg des Dialogs mit allen relevanten Akteuren für das Thema Artenschutz gefunden haben.

Nach der anfänglichen Euphorie über die tolle Unterstützung für unser Volksbegehren „Rettet die Bienen“, haben wir schnell gemerkt: Wir wollen das Gute, wir wollen eine zukunftsfähige Landwirtschaft, eine zukunftsfähige Nachhaltigkeitspolitik für Baden-Württemberg – aber nicht jede*r versteht uns sofort. Anstatt gemeinsam für mehr Artenschutz zu streiten, eskalierte vor allem der Streit zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz. Wir wollten natürlich streiten – aber nicht uns zerstreiten.

Auch deswegen haben wir uns am 15. Oktober auf einen Dialogprozess mit der Landesregierung und den Bauernverbänden für eine Alternative im Kompromiss eingelassen. Wir haben dafür zwei Bedingungen gestellt, um unser Volksbegehren endgültig ruhen zu lassen: die Konkretisierung des Eckpunktepapiers und einen umfassenden Konsens mit den Landwirtschaftsverbänden. Und tatsächlich erkennen wir an: das Eckpunktepapier ist nicht nur konkretisiert, es liegt sogar ein fertiger Gesetzentwurf vor.

Der entspricht in weiten Teilen in der Tat auch den Eckpunkten, enthält allerdings auch einige Schwachpunkte, bei denen wir uns schon fragen: Wie ernst meint es die Landesregierung eigentlich mit dem Artenschutz?

Bei der Pestizidreduktionsstrategie wird zwar das 50-Prozent-Ziel fest in Gesetzesform gegossen. Aber was ist eine Pestizidreduktion in der Menge Wert, wenn sie die Toxizität nicht berücksichtigt?

Welche konkrete Verbesserung bedeutet es für Schutzgebiete, wenn dort zwar Integrierter Pflanzenschutz vorgeschrieben dieser aber nicht scharf genug definiert wird?

Und wie ernst meint es das Land mit der Vorreiterfunktion in Sachen bio-regionale Lebensmittel, wenn es nicht mal für den Einkauf in den eigenen Kantinen ein verbindliches Ziel gibt?

Gleichzeitig sehen wir, dass es mit dem Eckpunktepapier gelungen ist, das Anliegen des Volksbegehrens in zweierlei Hinsicht auf eine breitere Basis zu stellen: Wir haben die Chance, die Bauern ins Boot zu holen. Und wir haben deutlich mehr Adressaten mit neuen Gesetzen bedacht als nur die Landwirte. Deswegen stellen wir uns hinter das Eckpunktepapier – nicht aus voller inhaltlicher Überzeugung, sondern weil wir glauben, dass wir so die Chance haben, einen größeren gesellschaftlichen Konflikt zu befrieden.

Und wir haben wahrgenommen, dass sich auch die wesentlichen Verbände der Landwirtschaft hinter dieses Eckpunktepapier stellen. Dieses Signal war und ist uns wichtig und wir sind froh, dass nicht nur wir zu Kompromissen bereit sind, sondern auch die Vertreter der Landwirtschaft.

Denn wenn uns diese Einigung heute gelingt, geht von ihr heute ein Signal aus: Die Zukunft der Landwirtschaft ist ökologisch. Sie findet mit deutlich weniger chemisch-synthetische Pestiziden statt.  Und sie respektiert die Lebensräume, die unsere Natur zum Überleben braucht. Das sagen ab heute nicht mehr nur Artenschützer – das ist das Zukunftsbild der Landwirtschaft, für das Baden-Württemberg steht und für das Landwirtschaft und Umweltschutz miteinander arbeiten.

Deswegen stellen wir uns nicht nur hinter das Eckpunktepapier, sondern auch hinter diesen Prozess und werden, sollte es hier bei dieser Einigkeit mit den Bauernverbänden bleiben, nicht mehr zu unserem Volksbegehren mobilisieren.

Als ich heute morgen das Haus verlassen habe, hat mich meine elfjährige Tochter verabschiedet. Bei ihrem Anblick war mir schon nochmal mulmig, ob wir uns wirklich auf diesen Kompromiss einlassen sollen. Schließlich wird sie in der Welt leben, die wir heute gestaltet. Deswegen appelliere ich an alle hier, auch nach Beendigung dieses Dialogs die gefundenen Lösungen nicht mehr zu verwässern.

Hallo,

ich bin Tobias Miltenberger.

Tobias Miltenberger hat Landwirtschaft studiert, ist Imker und Geschäftsführer von proBiene. Seit er Ende der 90er Jahre in einem Entwicklungsprojekt in Südamerika auf die Bienen gestoßen ist, lassen sie ihn nicht mehr los. Tobias lebt mit seiner Familie in Stuttgart.

Wir schwärmen für

Biene, Mensch, Natur.

Du auch? Werde Teil unserer Bewegung. Schließe dich tausenden Anderen an, abonniere unseren Newsletter und erfahre mehr über Bienen- und Artenschutz, ökologisches Imkern und unsere Bildung für nachhaltige Entwicklung.