Pestizidprozess

„Wir lassen uns nicht mundtot machen!“

Mit direkter Demokratie in eine pestizidfreie Landwirtschaft: Diese Vision verbindet uns mit dem kleinen Dorf Mals in Südtirol. Die Bewohner*innen haben die Gemeinde mit einem Bürgerbegehren als pestizidfrei erklärt. Doch der Druck ist enorm. Gerade wird ein großangelegtes Gerichtsverfahren gegen mehrere Akteure des Widerstands aufgerollt, weil sie die Gefahr der Pestizide betitelt und öffentlich gemacht haben.

Wir haben den Solidaritätsaufruf für die Aktivisten unterzeichnet, der in großen italienischen Tageszeitungen veröffentlicht wurde. Mehr als 200.000 Menschenaus ganz Europa haben einen Apell unterzeichnet, der fordert die Klagen fallen zu lassen. Mittlerweile steht im Raum, dass die Klagen tatsächlich fallen gelassen werden könnten.

In Mals hat sich schon seit Jahren starker Widerstand gegen Pestizide formiert. Der Ort liegt in einer Gegend, wo sich zunehmend intensiv gespritzte Apfelmonokultur-Plantagen ausbreiten. Wo jeder 10. in Europa geerntete Apfel her kommt. Wo 20-mal im Jahr mit chemischen Pestiziden  gespritzt wird ( was laut  Professor Johann Zaller von der Universität Wien hierzulande nicht anders ist) Und wo Untersuchungen der Pestizid Rückstände in Kindergärten von den Behörden tunlichst vermieden werden, weil die Belastungswerte so hoch sind.

Pestizidkritiker*innen vor Gericht

Der Pestizidexperte des Umweltinstituts München, Karl Bär wurde angeklagt, sowie der gesamte Vorstand des Instituts, des Weiteren Alexander Schiebel, der Autor des Buches „Das Wunder von Mals“. Er hat einige Zeit in Mals gelebt und den Wiederstand als Autor und Filmemacher begleitet und dokumentiert. Auch den Verleger des Buches, Jakob Radlof vom Oekom Verlag hat eine Klage erreicht.

Die Anklage lautet: üble Nachrede. Und bezieht sich darauf, dass Alexander Schiebel in seinem Buch schreibt, dass die Pestizidwolken die Gesundheit der Menschen schädigen und Menschenleben kosten. Und dass diejenigen, die diese Fakten ignorieren und sie trotzdem ausbringen, daran Mitschuld tragen. Weiterer Anlass ist die provokante Kampagne des Umweltinstitut Münchens, in dem sie ein Logo „Pestizidtirol“ veröffentlichten und auf der entsprechenden Internetseite auf die Gefahren und den enormen Einsatz von Pestiziden in Südtirol aufmerksam zu machten.

Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit

„Nicola Canestrini, Rechtsanwalt von Bär und Schiebel: „Die Wahrheit zu sagen ist und
bleibt nach italienischem Recht kein Verbrechen. Sie ist ein grundlegender Bestandteil der Demokratie und eine der mächtigsten Waffen gegen Machtmissbrauch. Es ist ein Alarmsignal für die Rechtsstaatlichkeit, dass man wegen der Ausübung eines so wichtigen Grundrechts angeklagt wird. Wir werden in Bozen stellvertretend für alle Umweltaktivist*Innen und Journalist*Innen kämpfen, die im öffentlichen Interesse Missstände aufdecken. Und wir werden im Prozess beweisen, dass in Südtirol im Übermaß Pestizide ausgebracht werden und dass diese für Menschen, Tiere und die Umwelt gefährlich sind.“

Das Verfahren ist brisant, da es neben dem Hauptkläger, dem Landesrat für Landwirtschaft, Arnold Schuler und der Vorstand des Bauerbundes noch 1.300 Obstbauern als Nebenkläger gibt. Es drohen Haftstrafen und Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe. Der Landrat hat mittlerweile aufgrund des Druckes durch eine europaweite Öffentlichkeit angekündigt die Klagen zurückzuziehen. Noch fehlen aber hierfür die Vollmachten der Nebenkläger*innen, die Frist hierfür läuft bis Ende November. Noch ist nicht klar, wie das Ganze ausgehen wird.

Klar ist aber, dass die Angeklagten, die Situation nutzen können, um eine Öffentlichkeit zur Gefährlichkeit der Pestizide und zu systematischen Einschüchterungsversuchen gegenüber Umweltaktivisten zu schaffen. Ein weiterer Teilerfolg ist, dass durch das Gerichtsverfahren auf Antrag der Angeklagten alle Betriebshefte der Landwirte von der Staatsanwaltschaft eingesammelt wurden und jetzt die genauen Angaben welche Pestizide in welchen Mengen im Jahr 2017 verwendet wurden einsehbar sind.

Klagen als Strategie kritische Aktivist*innen und Journalist*innen mundtot zu machen

Das Ganze ist kein Einzelfall. Karl Bär „Wie sich zeigt, hat Südtirol nicht nur ein Pestizidproblem, sondern auch ein Demokratieproblem. Die Anzeigen und Klagen gegen uns entbehren jeder sachlichen Grundlage und haben nur ein Ziel: KritikerInnen des gesundheits- und umweltschädlichen Pestizideinsatzes sollen in Südtirol zum Schweigen gebracht werden. Der Prozess reiht sich ein in eine lange Reihe von haltlosen Klagen gegen AktivistInnen und PublizistInnen in Italien und in ganz Europa. Immer häufiger versuchen Unternehmen oder PolitikerInnen, auf diese Weise kritische Personen in ihrer Arbeit zu behindern und einzuschüchtern.“

Die Universität Amsterdam forscht zu diesen strategischen Klagen. Wenn Regierungsmitglieder oder Unternehmen mit langwierigen Verfahren und zum Teil absurden Anschuldigungen gegen Aktivist*innen und Journalist*innen klagen, um diese einzuschüchtern, wird das die in der Fachliteratur (SLAPP) „Strategic Litigation against Public Participation“ genannt.  Vorläufige Forschungsergebnisse zeigen eine zunehmende repressive Arbeitsumgebung für NGOs, kritische Reporter*innen und Aktivist*innen.

Es geht also nicht nur um eine pestizidfreie Landwirtschaft, sondern auch um die Wahrung des demokratischen Grundrechtes Meinungsfreiheit und den Handlungsspielraum für Umweltaktivist*innen!  Dafür braucht es jetzt und auch in Zukunft eine kritische Öffentlichkeit!

Unterzeichnet den Appell: Redefreiheit für Pestizid-Kritiker*Innen

Kauft Bio Äpfel/Lebensmittel aus der Region und unterstützt kleine NGOs, damit sie Ihre Arbeit machen können, gerne auch uns ( :

Hallo,

ich bin Sarah Thullner.

Sarah Thullner studiert ökologische Landwirtschaft und ist Bienenhüterin. Im Herbst 2020 unterstützt sie proBiene mit Text- und Recherchearbeit.

Wir schwärmen für

Biene, Mensch, Natur.

Du auch? Werde Teil unserer Bewegung. Schließe dich tausenden Anderen an, abonniere unseren Newsletter und erfahre mehr über Bienen- und Artenschutz, ökologisches Imkern und unsere Bildung für nachhaltige Entwicklung.