Wer die Zukunft der Landwirtschaft sichern will, muss jetzt an der Agrarwende arbeiten. Ohne einen Ausbau der ökologischen Landwirtschaft werden sich die vielen Nachhaltigkeitsprobleme der Landwirtschaft nicht lösen. Wer, argumentieren die KritikerInnen dieses Ansatzes dann unter anderem, soll denn die ganzen Bio-Lebensmittel irgendwann kaufen, wo doch viele VerbraucherInnen am liebsten zu billigen Produkten greifen? Nun, zum einen ändert sich an diesem Kaufverhalten derzeit einiges; die Fridays for Future-Generation geht ja nicht nur auf die Straßen sondern auch in die Supermärkte. Und zum anderen: Wir müssen dahin kommen, dass Lebensmittelproduzenten alle Kosten, die während der Herstellung entstehen, in den Preis ihrer Waren einrechnen. Das verblüffende Ergebnis: Dann wären Bio-Lebensmittel fast immer billiger als konventionelle. Und das Nachfrageproblem wäre schlagartig reduziert.
Christian Hiß von der Regionalwert AG Freiburg beschäftigt sich mit diesem Thema. „Richtig rechnen“, nennt er das. „In Wirklichkeit sind viele Nahrungsmittel nur scheinbar billig, weil die negativen externen Effekte, die sie auf die Umwelt und die Gesellschaft auslösen, nicht in die Preiskalkulation einfließen“, sagt Christian Hiß. „Das Verursacherprinzip wird hier nicht konsequent angewendet, ein Großteil der Kosten und Risiken dieser Wirkungen muss von der Gesellschaft getragen werden.“ Etwa wenn billig ausgebrachter Kunstdünger das Grundwasser belastet oder Pestizide die Gesundheit. Dem Erzeuger erleichtert das womöglich kurzfristig die Arbeit, die Gemeinschaft muss sich aber anschließend um die Folgekosten (etwa Wasser säubern) kümmern. Die Studie „How much is the dish? der Universität Augsburg deckt diese „versteckten Kosten“ auf, die durch die drei maßgeblichen Umweltbelastungen – Stickstoff, Treibhausgas-Emissionen und Energieverbrauch – bei der Produktion von Lebensmitteln entstehen. Würden die Umweltfolgekosten in die Marktpreise für Lebensmittel einberechnet, müssten die Erzeugerpreise für tierische Produkte aus konventioneller Landwirtschaft dreimal so teuer sein (196 Prozent Aufschlag auf die Erzeugerpreise), ein normales Kilo Rindfleisch würde statt 15 Euro dann 45 Euro kosten. Die Erzeugerpreise konventionell-pflanzlicher Produkte müssten 28 Prozent teurer sein. Hiß glaubt deswegen: „Es wird immer deutlicher, dass die ökologisch sorgsam arbeitenden Betriebe auch ökonomisch die besseren Unternehmer sind, denn durch ihre Art des Wirtschaftens vermeiden sie Verluste, Schäden und Risiken an den natürlichen Vermögensgrundlagen ihres Betriebes, weil sie die ökologischen und sozialen Faktoren in ihren Betriebsablauf internalisierten.“
Es gibt erste Versuche von Unternehmen eine Bilanzierung vorzulegen, in der die externalisierten Kosten, also jene Kosten, die durch Umweltverbrauch bei der Herstellung, dem Transport und ähnlichen Schritten entstehen, ausgewiesen sind. Sie zeigen, dass die Unternehmensgewinne unter dieser Voraussetzung stark zurückgehen. Wenn man nach Ansätzen sucht, wie diese Verzerrungen am Markt bereinigt werden könnten, so bieten sich Steuern oder Abgaben auf Produkte an, denen eine die Umwelt belastende Wirkung nachgewiesen wird. Beispiele dafür gibt es schon: In den skandinavischen Ländern existiert eine Stickstoffsteuer bereits seit vielen Jahren. Die Abgabe auf Stickstoff in mineralischen Düngemitteln verringert den Eintrag von Stickstoff in Böden, Gewässer und Luft. Für einen strengeren Umgang mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln gehen Länder wie Dänemark, Norwegen, Schweden und Frankreich voran (teilweise seit Jahrzehnten). Pestizide mit umfangreichen umwelt- oder gesundheitsschädlichen Risiken werden in einigen Ländern höher besteuert als weniger gefährliche. Im Jahr 2013 wurde in Dänemark eine risikobasierte Pestizidsteuer mit hohem Abgabeniveau eingeführt, sie hat dazu geführt, dass seitdem der Absatz an Pflanzenschutzmitteln um mehr als die Hälfte zurückgegangen ist.
Hiß arbeitet derzeit an einem Modell, dass die Berücksichtigung solcher Schäden bei der Preisgestaltung ermöglicht und am Ende auch vorschreibt. Ein langer Weg bis dahin, klar. Aber einer, der zeigt: Es kann sich wirklich etwas ändern, wenn wir es angehen – und unsere Forderungen sind nicht utopisch sondern ganz realistisch.