1+1=…? Frag die Bienen! 

Du wanderst an einem warmen Samstagnachmittag durch den Wald. Du gehst an der großen Eiche vorbei und kannst deinen Augen nicht trauen: Eine Biene sitzt auf einem Ast und berechnet eifrig, wie viele Blüten sie anfliegen sollte, um eine angemessene Menge an leckerem Nektar zu sammeln. Und sie benutzt nicht einmal einen Taschenrechner! Scheint unglaublich zu sein? Vielleicht ist es ungewohnt einer Biene mathematischen Fähigkeiten zuzutrauen. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieses Szenario unwahrscheinlich ist. Bienen können lernen, wie man einfache numerische Operationen durchführt, genau wie Menschen. Es ist jetzt schwer, ihnen einen Bleistift zu geben und sie zu bitten, die Gleichungen zu vervollständigen. Aber es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit…

Spaß beiseite. In diesem Jahr haben Forscher eine erstaunliche Entdeckung gemacht, die die Art und Weise, wie wir Bienen betrachten, völlig verändern wird. Sie fanden heraus, dass diese bescheidenen Kreaturen einfache arithmetische Operationen wie Addition und Subtraktion lösen und die abstrakten Symbole der Mathematik verstehen können. Obwohl es unmöglich scheint, es ist nicht das erste Mal, dass wir von den Fähigkeiten unserer kleinen Blumenfreunde überrascht werden, stimmt’s? Lasst uns mehr darüber erfahren, wie es möglich ist.

Das Gehirn ist eines der größten und geheimnisvollsten Schöpfungen der Evolution, die die Wissenschaft heute kennt. Egal ob es sich um einen zwei Meter großen Menschen oder ein kleines Insekt wie die Honigbiene (die im Durchschnitt nur 15 mm lang ist) handelt, es ist aus Neuronen aufgebaut, auch bekannt als Nervenzellen. Sie schaffen ein Beobachtungs- und Reaktionssystem, das die elektrischen und chemischen Signale im Gehirn und im gesamten Nervensystem überträgt. Die Nerven sind über spezielle Verbindungen, sogenannte Synapsen, miteinander verbunden. Werden immer wieder dieselben Nervenverbindungen aktiviert, bilden sich vermehrt Synapsen an dieser Stelle. Das bedeutet lernen auf neuronaler Ebene. Der Mensch hat etwa 100 Milliarden solcher Zellen in seinem Gehirn [CHERRY], während die Bienen weniger als eine Million haben, was etwa 0,000001 der menschlichen Nervenkapazität entspricht. Trotzdem reicht das aus, um Rechenaufgaben zu lösen.

Die Hauptfrage, die Wissenschaftler in ihrer Studie stellten, war: Ist es möglich, den Bienen das Addieren und Subtrahieren beizubringen?

Die Fähigkeit numerische Operationen durchzuführen ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Es ist ein erstaunlich komplexer Lernvorgang. Das ist es, was wir in der Grundschule auf dem harten Weg kennen lernen, um den Mathe-Test zu bestehen… Es erfordert zwei Verarbeitungsebenen, wie in Abbildung 1 dargestellt. Im ersten Schritt gilt es, den Wert mit der Anzahl in Verbindung zu bringen, im zweiten Schritt, die Zahlen im Arbeitsgedächtnis zu berechnen [HOWARD].

Abbildung 1: Zwei Verarbeitungsebenen des Lernens
Abbildung 1: Zwei Verarbeitungsebenen des Lernens

Bevor man überhaupt damit beginnen konnte, die mathematische Leistung der Bienen zu studieren, mussten die Forscher prüfen, ob diese Insekten in der Lage sind, die Menge mit dem richtigen Symbol zu verknüpfen. Wie sich herausstellte, konnten sie dies erfolgreich erlernen.

So konnten sie zum Beispiel erfassen, dass der Buchstabe T aus zwei Bestandteilen und N aus drei Bestandteilen besteht und das mit z.B. 2 bzw. 3 Rechtecken gleichstellen. Sie waren jedoch nicht in der Lage, die Aufgabe umgekehrt zu lernen. Sahen sie also 2 Rechtecke, konnten sie das nicht mit dem Buchstaben T verbinden [STARR].

Die Wissenschaftler nahmen die Herausforderung an und entwickelten eine Y-förmige Versuchsanordnung wie in Abbildung 2. Aber das richtige Instrument war nicht der einzige Schlüssel zum Erfolg. Der nächste Schritt war, die Bienen zu ermutigen, dass sie freiwillig viele Male in das Labyrinth zurückkehren, wo sie das richtige Verhalten lernen können. Da Honigbienen zentrale Nahrungsplatzsucher sind, kehren sie an einen Ort zurück, wenn der Ort eine gute Nahrungsquelle bietet. Deshalb versorgten die Wissenschaftler sie während der Experimente mit einer hohen Konzentration an Zuckerwasser (nur Arbeiterinnen sammeln Nahrung für den Bienenstock).

Der Versuch basierte auf der Strafen- und Belohnungsmethode: Die Richtige Antwort führte die Bienen zum Zuckerwasser, und die falsche Antwort zur bitter schmeckenden Chinin Lösung.

Die verwendeten Formen, waren bei der Versuchsanordnung in der Lernphase zunächst alle einheitlich (also z.B. immer gelbe Quadrate), und variierten später aber auch in ihrer Position, Anzahl und Form (also z.B. auch Rechtecke oder Kreise) – nur die Farbe blieb gleich. Es gab zwei verschiedene Versuchsmodelle, die Bienen sollten lernen, entweder die Zahl 1 zu addieren oder die Zahl 1 zu subtrahieren. „+“ wurde durch die Farbe Blau symbolisiert. „-“ durch die Farbe Gelb. Die größte Zahl, die in diesem Experiment verwendet wurde, war die 5.

Auf der Suche nach Zuckerwasser, fliegt die Biene durch das erste Loch, welches mit einer Anzahl von Farbformen gekennzeichnet ist. Hinter dem ersten Loch befindet sich dann der Entscheidungsraum („decision chamber“), welcher der Biene zwei Möglichkeiten bietet: Je nach Farbkodierung muss die Biene die Zahl „1“ von den Eingangsformen addieren oder subtrahieren, um durch das richtige Loch an die Belohnung zu kommen. Den Bienen genügte eine Wiederholung von 100 Mal in einer Versuchsanordnung, um die Regel zu lernen und dann sogar auf andere Kombination zu übertragen. Sie waren sehr effektiv und gaben in 64-72 % der Fälle die richtige Antwort [HOWARD].

Abbildung 2: Selbstarbeit auf der Grundlage des Bildes aus dem Artikel „Bees can use abstract symbols to do unexpectedly sophisticated math”
Abbildung 2: Selbstarbeit auf der Grundlage des Bildes aus dem Artikel „Bees can use abstract symbols to do unexpectedly sophisticated math”

Ja, ich schätze, du denkst genau das, was ich denke: Bienen sind beeindruckend! Und sie sind nicht die einzigen Organismen, abgesehen vom Menschen, die im Alltag lernen und rechnen können. Arithmetische Fähigkeiten wurde bei verschiedenen Tieren in Gefangenschaft und halbnatürlichen Umgebungen nachgewiesen, aber es ist unklar, ob eine solches Kompetenz auch in der Wildnis vorkommt [TSUTSUMI].

Quellen:

Cherry Kendra, „How Many Neurons Are in the Brain?“ URL: https://www.verywellmind.com/how-many-neurons-are-in-the-brain-2794889

Howard Scarlett, Dyer Adrian, & Garcia Jair, „Bees Can Use Abstract Symbols to Do Unexpectedly Sophisticated Math”, URL: https://www.sciencealert.com/bees-can-do-simple-arithmetic-says-new-study

Starr Michelle, 5 JUN 2019 „Experiment Shows Bees Can Understand a Symbolic Language For Mathematics“, URL: https://www.sciencealert.com/tiny-bee-brains-seem-to-be-able-to-link-symbols-to-numbers?fbclid=IwAR3RUTJp0geOBKyInXLjY3X9k9a0urTr91_SJeFUXJScbUSyEFrwW0_DYB8

Tsutsumi Sayaka, Ushitani Tomokazu, and Fujita Kazuo, „Arithmetic-Like Reasoning in Wild Vervet Monkeys: A Demonstration of Cost-Benefit Calculation in Foraging“, URL: https://www.hindawi.com/journals/ijz/2011/806589/

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ich bin Karina Fraczek.

Karina hat von Mai bis Juli 2019 ein Praktium bei proBiene absolviert. Sie hat in Warschau Umweltmanagement und Umweltschutz studiert und war Stipendiaten der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Sie ist zudem zweite Vizepräsidentin eines polnischen Umweltverbandes.

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