Spart der Winzer Gift, freut sich die Biene 

Wer die Bienen retten will, muss den Einsatz von Pestiziden zurückfahren. Geht nicht? Wer das glaubt, sollte das Weingut Johannes Kiefer besuchen. 

Ein Hauch Rosmarin weht in die Nase. Es fliegt, ungelogen, auch an diesem Spätsommertag, ein Schmetterling auf, trotz fortgeschrittener Jahreszeit wiegen sich hier und da noch Blüten sanft im Wind. Wenn sich die Weinberge von Johannes Kiefer nicht so echt vor einem ausstrecken würden, hielte man sie für ein Klischee. So schön ist es hier, am Kaiserstuhl in Baden. Doch statt eines Klischees sieht man das Ergebnis von Jahren harter Arbeit, in der Johannes Kiefer, seine Mutter Barbara und seine Schwester Katharina ein Experiment gewagt haben. Als Quereinsteiger hat die Familie, angeleitet vom mittlerweile ausgebildeten Winzer Johannes, am Kaiserstuhl ohne Pestizide, mit allenfalls minimalinvasiver Bodenbearbeitung und reiner Handarbeit ein Weingut etabliert. Das freut nicht nur die vielen Wildbienen im Weinberg der Kiefers – sondern auch viele anderen Insekten-, Vogel- und Reptilienarten. 

Selbst menschengemachte Kulturlandschaften werden vom Menschen wieder zerstört

Um zu verstehen, wie besonders das ist, hilft ein Blick auf die Gepflogenheiten im Weinbau. Baden-Württembergs Winzer schufen mit ihrer Hände Kraft einst einige der schönsten Landstriche, wo zuvor oft nur wilde Buschlandschaft wahr: Die Terrassen am Kaiserstuhl, die Steillagen an der Rems, die sanften Hügel des Markgräfler Landes. So entstanden nicht nur wahre Augenweiden sondern auch Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Doch je weiter ein Teil der Betriebe vor Ort die Intensivierung des Weinbaus vorantrieb, desto größer wurde auf den Flächen im Laufe der Jahre der Einsatz von Pestiziden. Konventioneller Weinbau, so schön die Landschaften sind und so toll viele einzelne Betriebe nachhaltig wirtschaften, gehört in der Summe zu den pestizidintensivsten Formen der Landwirtschaft. Das schadet nicht nur Bienen und Insekten – das schadet auch den Winzern. Denn nicht nur um die Artenvielfalt am Kaiserstuhl ist es heute schlecht bestellt. Auch die Zahl der Winzer sinkt und sinkt – und die, die noch wirtschaften, stehen all zu oft mit dem Rücken zur Wand. Die Intensivierung der Landwirtschaft hat nicht dazu geführt, dass es den Betrieben besser geht. Im Gegenteil. Das Artensterben und das Höfesterben verlaufen seit den 90er Jahren parallel. Biene und Bauer, sie gehören in jeder Hinsicht zusammen.  

Klar ist deswegen: die Menge der Pestizide muss runter, damit die Biene eine Zukunft hat. Und der Landwirt, oder eben Winzer, muss davon am Ende auch noch profitieren. Die Geschichte des Weinguts Johannes Kiefer zeigt, dass das geht. 

Weinberge wieder zum Leben erwecken

„Schauen Sie sich um“, sagt Barbara Kiefer, vor Ort im Weinberg und zeigt auf die RebreihenMuscaris, in langen Reihen mit goldglänzenden Beeren; Sauvigniers Gris mit seinen satt-rosa, vollen Trauben; Cabernet Cortis rubinrot, satt und pumperlgesund von der Rebe hängend. „Alles ohne Pflanzenschutzmittel entstanden“, sagt Kiefer. Vor vier Jahren haben Sie den Großteil der Flächen übernommen, bauen seitdem auf drei Hektar bei Bahlingen Wein an. „Am Anfang war das schon mal eng und da mussten wir auch mal etwas spritzen“, sagt Barbara Kiefer. „Aber“, ergänzt ihr Sohn Johannes, „das ist eine Gewöhnungssache bei den Reben. Jahr für Jahr werden sie stärker, bis sie irgendwann ganz ohne Pflanzenschutzmittel auskommen.“ Stattdessen verwendet er Pflanzenstärkungsmittel; Tees aus Ackerschachtelhalm oder speziellen Algen, etwa. 

Weinberg am Kaiserstuhl
Bildquelle: Weingut Johannes Kiefer

Und damit ist es getan? 

Natürlich nicht. „Der Betrieb muss schon ganzheitlich geführt sein“, sagt Barbara Kiefer. „Hier und da mal eine Stellschraube zu drehen, reicht nicht.“ Will heißen: Wenn die Rebe gesund sein soll, braucht es auch einen gesunden Boden und eine natürliche, vielfältige Weinbergs-Flora und Fauna. Zudem hat das Trio eine artenfreundliche Umgebung geschaffen. Auf dem Weg in den Wengert liegen verschiedene Totholzstapel, die seltenen Arten Lebensraum bieten. An anderen Stellen wachsen verschiedene Obstbäume, die Schädlinge wie die Kirschessigfliege von den Reben ablenken. In einer Ecke haben die Kiefers eine Lösswand wieder freigelegt, sodass sie verschiedenen Insekten als Refugium dient. Bei derlei Aktivitäten arbeiten sie mit dem Landschaftserhaltungsverband zusammen, bekommen teilweise auch Unterstützung für die Pflege. 

Die wohl härteste Umstellung für einen Winzer vollziehen die Kiefers Stück für Stück: die Umpflanzung ihrer Reben.  Auf den Flächen, die sich von einem alten Winzer übernommen haben, fanden sich die klassischen badischen Burgundersorten. Die allerdings sind anfällig, vor allem für bestimmte Pilze. Hier ohne Fungizide zu arbeiten, macht das Ganze zu einem Hochrisikospiel. Stattdessen setzen die Kiefers nun Stück für Stück auf  neue Rebsorten, die gegen die allermeisten Pilzkrankheiten widerstandsfähig sind. So genannte PIWIS. 

 Neue Sorten ermöglichen der Verzicht auf Pestizide

An diesen Sorten scheiden sich die Geister. Das Staatsweingut Freiburg ist schon seit Jahren ein Vorreiter bei der Entwicklung und Kultivierung solcher Rebsorten. Die Idee dahinter: Eine Pflanze, die von Natur aus gegen Pilzerkrankungen resistent ist, muss automatisch weniger gespritzt werden. Doch so überzeugend die Idee ist, so schwer ist auch die Vermittlung dieser Rebsorten an Kundschaft. Die meisten wollen eben doch ihren klassischen Burgunder. Seit Jahren beobachten Winzer, dass sie die neuen Rebsorten nicht vermarktet kriegen. Verbraucher*innen sind da eben nicht immer konsequent: Wenn sie mehr Nachhaltigkeit fordern, kaufen sie nicht zwangsläufig nachhaltiger.  

„Das ist doch eine Frage des Wollens“, sagt Johannes Kiefer. „Wenn ich mich richtig um die Vermarktung bemühe und den Kunden das erkläre, kaufen die diese Weine auch.“  Ihn haben aber vor allem die ökologischen und ökonomischen Vorteileüberzeugen. Mindestens 1400 Euro spart er pro Jahr und Hektar bei der Arbeit, weil die Pflanzen weniger „Pflege“ intensiv sind.  Das Ergebnis lässt sich auch sehen: Mittlerweile sind wieder Wildbienen, aber auch seltene Vögel wie der Ortolan, der Pirol oder der Wiedehopf regelmäßige Gäste bei Kiefers am Kaiserstuhl. 

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ich bin Sven Prange.

Sven Prange, Politikwissenschaftler und Journalist, ist der Koordinator des Volksbegehrens Artenschutz - "Rettet die Bienen" in Baden-Württemberg. Wir sind froh, das es den witzigen Westfalen zu uns ins Ländle verschlagen hat.

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