Ein biodynamisches Züchtungsprojekt für die Vitalität der Honigbiene
Die Ursachen der Bienenkrise sind vielfältig: Pestizide in der Landwirtschaft, Monotonie auf den Äckern, Befall mit Parasiten. Aber es gibt auch Praktiken in der Imkerei, die den Bienen zu schaffen machen. Dazu gehört neben der Intensivierung in der Bienenhaltung auch die konventionelle Zucht. Eine biodynamische Zucht von proBiene soll eine Alternative schaffen und die Biene in ihrer Gesundheit stärken.
Bisherige Zuchtziele nicht artgemäß
Seit Beginn der Industrialisierung werden Zuchtziele verfolgt, die einer kurzfristigen ökonomischen Verbesserung in der Imkerei dienen:
große Honigerträge, Schwarmträgheit (Minderung der natürlichen Vermehrung), Sanftmut und manchmal auch die Eigenschaft, wenig Propolis zu erzeugen. Diese gängigen Zuchtziele entsprechen nicht den Anforderungen der ökologisch orientierten Bienenhaltung, teils stehen sie diesen sogar konträr gegenüber. So ist es ein elementares Ziel in der biodynamischen Imkerei, die natürliche Lebensäußerung zu berücksichtigen und als Potenzial zu nutzen, z. B. Vermehrung über den Schwarmtrieb und Wabenbau durch von Bienen erzeugtem Wachs.
Einseitigkeit durch aktuelle Züchtungsmethoden
Die Methoden der gegenwärtigen Züchtung sind tierethisch wie qualitativ umstritten. Auch münden sie in eine Verarmung des Genpools, denn die künstliche Besamung von Königinnen erfolgt durch nur einen einzigen, vom Menschen ausgewählten Drohn. Von Natur aus wird die Königin hingegen von Männchen begattet, die während des Hochzeitsfluges ihre Fitness bewiesen haben. Und nicht nur von einem, sondern im Schnitt von 15 bis 20 Drohnen mit unterschiedlichem Genpool. Es gibt im gesamten Tierreich keine Art, die eine höhere Genrekombinationsrate (Neuanordnung von genetischem Material) aufweist als das Bienenvolk. Diese Diversität an Eigenschaften und natürliche Selektion der Väter macht das Bienenvolk zu einem extrem anpassungsfähigen Organismus.
Gefahr des genetischen Flaschenhalses
Auch die Königin selbst entsteht auf künstliche Weise: Die Vermehrung erfolgt durch sog. „Umlarven“, bei dem aus Arbeiterinnen-Larven
Königinnen gezogen werden – so können aus einem Bienenvolk viele tausende Königinnen gewonnen werden. Durch die Einfachbegattung und die Auswahl aus wenigen Hochleistungsvölkern treten immer wieder Inzuchtschäden auf. Neben den erschreckenden Brutlücken durch diploide Drohnenlarven (Drohn mit doppeltem Chromosomensatz, den eigentlich nur Arbeiterinnen und Königinnen haben), nimmt die Vitalität ab und der Genpool verarmt. Es wird zudem hauptsächlich auf eine Bienenrasse gesetzt, die Kärtner Biene (Apis mellifera carnica). Auch dies mündet in eine langfristig gefährliche Entwicklung durch Einschränkung der Diversität aufgrund von Verlusten an Merkmalen von Unterarten bzw. Rassen.
„Zugegeben, in unserem Züchtungsbemühungen müssen wir zuweilen Maßnahmen anwenden, Welche sich nicht immer vollauf mit jenen der Natur vereinbaren lassen. Demgegenüber stehen uns aber Möglichkeiten zur Verfügung, die der Natur versagt waren. Allerdings dürfen wir auf die Dauer die Richtlinien, welche uns die Natur aufzeigte, nicht missachten.“
Bruder Adam (Pionier der künstlichen Königinnenzucht), 1982
Ziel mit hohen Ansprüchen
Ziel von proBiene ist es, eine Biene zu züchten, die den Ansprüchen einer ökologischen Imkerei entspricht und langfristig zu einem
vitalen Bienenstand beiträgt. Eine Züchtung in dieser Form existiert nicht. Alle ökologischen Imker – im Erwerb oder Hobbybereich – arbeiten mit Bienen, die für konventionelle Ansprüche gezüchtet wurden. Die Erhaltung, die Nutzung und die Entwicklung der Potenziale der (noch) vorhandenen Bienenstämme durch konsequente ökologische Züchtung und Methodenentwicklungen können Elemente sein, die gegenwärtige Krise der Bienenhaltung zu überwinden. Es liegt in der Verantwortung der Imker von heute, die Imkerei so zu gestalten, dass auch künftige Generationen von den Gaben der Honigbiene beschenkt werden.
Ganzheitlicher Ansatz
Immer wieder zeigt es sich, dass nicht nur einzelne genetische Merkmale oder isolierte Umweltfaktoren maßgeblich sind, um z. B. eine Varroa-Toleranz hervorzubringen. Vielmehr wirken zahlreiche Faktoren zusammen. Bei unseren Forschungen verfolgen wir daher auch einen ganzheitlichen Ansatz und nutzen die Potenziale der Mehrfachbegattung. Unsere Erfahrungen zeigen, dass sogar die natürlichen Triebe der Biene Potenziale aufweisen: Das Wachs aus Naturwabenbau hat die höchste Reinheit. Die Arbeit durch die Schwarmvermehrung reduziert die Varroamilbe und weitere Krankheiten. Nun gilt es, diesen Impuls für eine zukunftsfähige Bienenhaltung auch in einem biodynamischen Züchtungsprojekt zu verfolgen.
Von der Rassenuntersuchung zum Methodenversuch
Bei diesem Forschungsprojekt beginnen wir mit einer Erörterung der genetischen Ressourcen. Bienenbestände mit verschiedenen Rassen und Mischformen werden auf ihre Merkmale untersucht und ihre Charakteristika beschrieben. Die letzten fundierten Aussagen zu Bienenrassen und ihren Eigenschaften sind lückenhaft. Daher bedarf es einer Kontrolle dieser Beschreibungen. Dabei sollen fünf wesentliche und differenzierbare Rassen / Stämme herausgegriffen werden. Eine davon soll die in Mitteleuropa ursprünglich heimische, fast ausgestorbene Dunkle Biene (Apis mellifera mellifera) sein. Parallel sollen verschiedene Züchtungsmethoden unter artgerechten Aspekten erprobt werden. Es soll eine detaillierte Definition einer „Öko-Biene“ erstellt werden. Hierbei sollen die EU-Bio-Verordnung und neuste Erkenntnisse zur Vitalität von Honigbienen einfließen. Auf Grundlage der Erkenntnisse zu Merkmalen, Zuchtmethoden und der Definition einer „Öko-Biene“ erfolgt die Zucht in ersten Probejahren. Wie eine Qualitätssicherung der Züchtung und eine stetige Weiterentwicklung erfolgen kann, wird ebenfalls innerhalb des Projektes ermittelt.
Projektstart 2019
Viele Züchtungen in der Landwirtschaft bereichern unsere Kultur. Nur in der biologischdynamischen Imkerei wurde die Bienenzucht bisher nicht angegangen. Der Demeter e.V. begrüßt eine dem ökologischen Landbau entsprechende Bienenzüchtung ausdrücklich und erkennt in dem Vorhaben ein großes Potenzial. Das Forschungsprojekt beginnt 2019 und ist auf drei Jahre angelegt.
Hier und in der „BienenZeitschrift“ werden wir darüber regelmäßig informieren.