Königinnenzucht mit Belegstellen – wie funktioniert das? 

Stellen Sie sich folgendes vor: An einem sonnigen Sonntagnachmittag machen Sie sich nach dem Kaffeetrinken auf zu einem ausgiebigen Spaziergang. Ihr Weg führt durch einen idyllischen Mischwald. Die Bäume bieten einen angenehm kühlen Schatten, weshalb Sie sich für einen kleinen Umweg entscheiden. Bis auf das Rauschen der Blätter und das Zwitschern der Vögel ist es hier ganz ruhig. Doch was ist das? Zwischen den Bäumen entdecken Sie eine Ansammlung von kleinen Holzkästchen, die in regelmäßigen Abständen voneinander aufgestellt sind. Vorsichtig treten Sie näher. Auf einer Infotafel bei den Holzkästchen erfahren Sie: Es handelt sich hier um eine Belegstelle zur Königinnenzucht.

Von Bienchen und Blümchen

Um zu verstehen, was hier passiert, ist es zunächst wichtig zu wissen, wie das Paarungsverhalten von Bienen überhaupt aussieht. Dieses ist nämlich gar nicht so unkompliziert.

Wir beginnen dafür am besten mit folgender Ausgangssituation: Unser Bienenvolk ist gut in das Jahr gestartet und hat einige Schwarmzellen angelegt. An einem warmen Tag im Mai verlässt nun ein Schwarm das Volk.
Wenige Minuten danach schlüpft eine neue Königin. Diese beginnt sofort, nach Ihresgleichen zu suchen. Treffen zwei junge Königinnen aufeinander, wird es ungemütlich: Die beiden Bienen führen einen regelrechten Ringkampf aus, der für die Schwächere der Königinnen mit dem Tod endet. Auf dem Sieg ausruhen kann sich die Gewinnerin aber nicht: Sie eilt sofort weiter, um nach anderen potenziellen Konkurrentinnen zu suchen. Auch andere Weiselzellen greift die Neue an und bearbeitet sie mit ihrem Kiefer und Stachel so lange, bis alle ihre Schwestern tot sind. Spätestens nach 24 Stunden ist im gesamten Volk so nur noch eine Königin übrig.

Ab ihrem 7. Lebenstag sind ihre Fortpflanzungsorgane voll entwickelt und die Königin kann den Begattungsflug antreten. Dazu begibt sie sich auf einen Drohnensammelplatz, also einen Ort, den die männlichen Bienen verschiedenster Völker anfliegen, um eine Königin zu begatten. Auf einem solchen Sammelplatz findet unter den Drohnen ein regelrechtes Wettfliegen auf die Königin statt, die sie an ihren speziellen Duftstoffen erkennen. Der Drohn, der die Königin als erstes erreicht, besamt diese innerhalb weniger Sekunden. Diesen Akt bezahlt er anschließend mit dem Leben. Die Königin wird einige Sekunden später schon von einem weiteren Drohn begattet. Dieser Vorgang wiederholt sich bis zu 15-mal.

Danach kehrt die begattete Königin in ihren Bienenstock zurück. Von den gesammelten Spermien verwirft sie jedoch über 95%, den Rest speichert sie über ihre gesamte Lebenszeit in ihrer Spermatheka, das sind bis zu vier Jahre. Wenn die Königin nun ein Ei in eine Arbeiterinnenzelle legt, fügt sie diesem vor dem Austritt aus dem Eileiter einige Spermien hinzu. Diese verschmelzen in der Wabenzelle mit dem Eikern und das Ei ist befruchtet.

Belegstelle Stumpfwald
Belegstelle Stumpfwald
Wozu der ganze Aufwand?

Im Vergleich zu anderen Tieren ist dieses Paarungsverhalten sehr komplex. Aber das hat einen guten Grund:

Durch den Kampf zwischen den Königinnen im Stock sowie durch das Wettfliegen der Drohnen auf dem Sammelplatz wird sichergestellt, dass nur die kräftigsten und vitalsten Bienen ihre Erbinformationen an nachfolgende Generationen weitergeben. So wird eine natürliche Selektion vorgenommen.

Auch der Vermeid von Inzucht ist bei den Bienen sehr wichtig. Schließlich haben die Nachkommen von miteinander eng verwandten Individuen eine verminderte Widerstandskraft und Lebensfähigkeit. Das Inzuchtrisiko wird allein dadurch stark vermindert, dass auf Drohnensammelplätze Drohnen aus verschiedenen Völkern anwesend sind. Dadurch, und durch die Mehrfachpaarung der Königin kommt es ganz automatisch zu einer Erweiterung des Genpools. Zudem fliegen die Königin und ihre Bruderdrohnen stets unterschiedliche Drohnensammelplätze an. Auch dadurch verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Paarung zwischen zwei nah verwandten Individuen kommt.

Beide Mechanismen sind ausschlaggebend, um starke, konkurrenzfähige Bienenvölker aufzubauen.

Belegstelle Stumpfwald
Belegstelle Stumpfwald
Honigbienen in der Zucht

Dieses aufwändige Paarungsverhalten macht die Zucht von Honigbienen schwer. Schließlich kann man nicht wie bei anderen Tieren einfach ein Männchen und ein Weibchen zusammen in einen Käfig stecken und auf die Paarung warten.

In der Honigbienenzucht gibt es daher drei etablierte Möglichkeiten:

1. Künstliche Besamung

Hierbei wird einer betäubten Königin das Sperma eines ausgewählten Drohn eingeführt. Ein großer Nachteil ist dabei der Wegfall des Drohnenwettflugs.

2. Standbegattung

Hier lässt der*die Züchter*in die Königin einfach frei von seinem Bienenstand zum Hochzeitsflug ausfliegen. Der Nachteil hierbei ist, dass kein Einfluss auf die Drohnen genommen werden kann und die Zucht somit allein durch die Selektion der Königin erfolgt.

3. Begattung an Belegstellen

Belegstellen sind Plätze, die der Paarung von Königinnen mit ausgewählten Drohnen dienen. In sogenannte Begattungskästchen werden Begattungsvölker von circa 1000 Arbeiterinnen und einer jungen, unbegatteten Königin aufgestellt. Diese Völker enthalten keine Drohnen. Von hier aus sollen die Bienenköniginnen ihren Hochzeitsflug unternehmen und somit begattet werden.

Die Drohnen für die Paarung kommen aus sogenannten Drohnenvölkern. Sie werden in einiger Entfernung zu den Begattungsvölkern aufgestellt und enthalten besonders viele reinrassige Drohnen.

Die Königinnen aus den Begattungsvölkern und die Drohnen aus den Drohnenvölkern treffen sich dann auf den Drohnensammelplätzen zur Paarung. Die besamten Königinnen kehren dann in die Begattungskästchen zurück und können von der Züchter*in weiterverkauft werden.

Damit der Zuchterfolg auf Belegstellen nicht gestört wird, sollten diese einen bienenfreien Schutzradius im Idealfall von min. 7km haben. So wird sichergestellt, dass sich keine rassenfremden Drohnen auf die Sammelplätze verirren.

Arten von Belegstellen

Man unterschiedet zwischen drei Arten von Belegstellen: Inselbelegstellen, Landbelegstellen und Gebirgsbelegstellen.

Die Inselbelegstelle befindet sich, wie der Name schon sagt, auf einer bienenfreien Insel. Diese sollte dabei mindestens 3km vom Festland entfernt sein. Die einzigen Bienenvölker, die man hier antrifft, sind die Begattungs- und Drohnenvölker. Ein Beispiel für eine Inselbelegstelle ist die Belegstelle Baltrum, auf der Buckfast-Bienen gezüchtet werden.

Unter einer Landbelegstelle versteht man eine Belegstelle, die sich auf dem Festland befindet. Diese hat, wir oben schon beschrieben, im Idealfall einen Schutzradius von 7km. Ein Beispiel für eine Landbelegstelle ist die Belegstelle Stumpfwald. Hier wird die Unterart Apis mellifera mellifera gezüchtet.

Gebirgsbelegstellen liegen in isolierten Tälern ohne eigenes Bienenvorkommen. Auch sie sollten von einen Schutzradius von 7km umgeben sein. Das Gebirge stellt eine zusätzliche geographische Barriere dar. In der Gebirgsbelegstelle Hornisgrinde im Schwarzwald wird beispielsweise die Unterart Apis mellifera carnica gezüchtet.

Die Belegstelle Stumpfwald

Die Belegstelle Stumpfwald wird vom Verein „Dunkle Biene Rheinland-Pfalz“ zusammen mit proBiene betrieben. Hier wird die Paarung angelieferter Königinnen mit rassereinen Drohnen der Dunklen Europäischen Biene (Apis mellifera mellifera) gewährleistet. Dabei wird ein besonderer Wert auf den Erhalt und Schutz dieser vom Aussterben bedrohten Unterart gelegt. Die Belegstelle Stumpfwald ist die einzige gesetzlich eingetragene Belegstelle in Deutschland für Apis mellifera mellifera.

Mehr zur Belegstelle Stumpfwald findest du hier.

Belegstelle Stumpfwald
Belegstelle Stumpfwald

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Belegstelle_(Bienenzucht)

Die Belegstelle Stumpfwald

G. und N. Koeniger, F. Tiesler: Paarungsbiologie und Paarungskontrolle bei der Honigbiene, 2014, Buschhausen Druck- und Verlagshaus

D. Gerstmeier, T. Miltenberger: Ökologische Bienenhaltung – Orientierung am Bien, 2018, Kosmos Verlag

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ich bin Hannah Kullmann.

Hannah absolviert 2021/2022 bei proBiene ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ). Sie hat im Jahr 2021 ihr Abitur gemacht, ist naturwissenschaftlich sehr interessiert und sammelt leidenschaftlich gerne tote Insekten für Ihre Sammlung.

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