Neue Studie zeigt alarmierende Zahlen zum weltweiten Rückgang der Bestäuber

Eine Vielzahl von Lebensmitteln, die wir täglich konsumieren, ist auf Bestäuber angewiesen – von Äpfeln über Gurken bis hin zu Mandeln und Kaffee. Fast 75 % der weltweit angebauten Nutzpflanzen hängen in irgendeiner Weise von der Bestäubung durch Tiere wie wie Honigbienen, Hummeln, Schmetterlinge, Schwebfliegen oder andere, ab. Bestäuber spielen eine zentrale Rolle, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den Erhalt der Biodiversität. Viele Pflanzenarten stehen in enger Symbiose mit bestäubenden Tieren, um sich fortzupflanzen und zu vermehren.

Die Bedrohung dieser wertvollen Akteure im ökologischen Kreislauf ist alarmierend. Eine neue Veröffentlichung am 3. Juli 2024 im Fachmagazin Nature Ecology & Evolution mit dem Titel „Global pollinator declines and the impact on biodiversity and agriculture“ zeigt auf, wie dramatisch die Lage ist. Die Studie sammelt die neuesten Daten zum weltweiten Rückgang der Bestäuber und beleuchtet die Folgen dieses Verlustes für die Biodiversität und die globale Landwirtschaft.

Die Zahlen aus der Studie sind besorgniserregend

In vielen Regionen der Welt sind bis zu 40 % der Bestäuberarten, insbesondere Bienen und Schmetterlinge, gefährdet oder bereits vom Aussterben bedroht. Besonders in Europa, Nord- und Südamerika sowie in Teilen Asiens und Afrikas zeigt sich ein starker Rückgang der Bestäuberpopulationen. Auch in Deutschland ist die Lage ernst, wo fast 50 % der 561 heimischen Wildbienenarten gefährdet sind.

Die Studie hebt hervor, dass der Verlust der Bestäuberpopulationen direkte Auswirkungen auf die globale Nahrungsmittelproduktion hat. Bestäuber tragen nicht nur zur Menge, sondern auch zur Qualität der Ernte bei. Es wird geschätzt, dass weltweit der Ertrag von Nutzpflanzen wie Obst, Gemüse, Nüssen und Kaffee, der jährlich mehrere hundert Milliarden Euro an wirtschaftlichem Wert generiert, stark von der Bestäubung abhängt. Der Rückgang der Bestäuber könnte erhebliche wirtschaftliche Verluste und spürbare Engpässe in der Versorgungskette verursachen, was zu Preisanstiegen bei vielen Lebensmitteln führen würde.

Grafik: Pestizidatlas, Eimermacher/Puchalla, CC BY 4.0

Ursachen des Bestäubersterbens: Die UN-Perspektive

Die Vereinten Nationen (UN), insbesondere der IPBES-Bericht (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services), unterstützen die Ergebnisse der neuen Studie und liefern zusätzliche Erklärungen für den dramatischen Rückgang der Bestäuberpopulationen. Laut der UN gibt es mehrere Hauptursachen, die das Bestäubersterben vorantreiben:

  1. Pestizideinsatz: Der großflächige Einsatz von Pestiziden, vor allem Neonicotinoiden, stellt eine der Hauptgefahren für Bestäuber dar. Diese Pestizide schädigen das Nervensystem von Insekten, was zu Orientierungsproblemen und einer Schwächung der Fortpflanzungsfähigkeit führt. Die UN fordert eine Reduktion des Pestizideinsatzes, um die Bestäuber zu schützen.
  2. Verlust von Lebensräumen: Der Verlust von natürlichen Lebensräumen durch die Ausweitung der Landwirtschaft, den Anbau von Monokulturen und die Urbanisierung nimmt den Bestäubern wichtige Nahrungs- und Fortpflanzungsquellen. Laut der UN sind Monokulturen oft weniger artenreich und bieten nicht die nötige Vielfalt an blühenden Pflanzen, die Bestäuber zum Überleben brauchen.
  3. Klimawandel: Der Klimawandel trägt zur zeitlichen Entkopplung von Bestäubern und Pflanzen bei. In vielen Regionen führt die Veränderung der Blühzeiten dazu, dass die Aktivitätszeiten von Bestäubern und die Blüte von Pflanzen nicht mehr synchron verlaufen. Extreme Wetterereignisse, wie Dürren oder Stürme, verschlimmern die Lage zusätzlich, indem sie Bestäuber-Lebensräume zerstören.
  4. Parasiten und Krankheiten: Neben den natürlichen Feinden der Bestäuber spielen Parasiten und Krankheiten eine immer größere Rolle. So sind beispielsweise Hummeln weltweit durch den Parasiten Nosema bombi bedroht, der die Fortpflanzungsfähigkeit der Hummeln beeinträchtigt und hohe Sterberaten verursacht.
  5. Luft- und Wasserverschmutzung: Umweltverschmutzung, insbesondere durch Schadstoffe in der Luft und Chemikalien im Wasser, beeinflusst die Gesundheit der Bestäuber. Untersuchungen zeigen, dass Luftverschmutzung das Duftverhalten von Pflanzen verändert und es den Bestäubern erschwert, Blüten zu finden. Wasserverschmutzung schädigt darüber hinaus die Pflanzen, die als Nahrungsquelle dienen.
  6. Gentechnisch veränderte Organismen (GVO): Die UN äußert außerdem Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen von **gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf Bestäuber. Es wird vermutet, dass GVO-Pflanzen das Verhalten von Bestäubern verändern oder schädliche Toxine produzieren könnten.
Grafik: Pestizidatlas, Eimermacher/Puchalla, CC BY 4.0

Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit

Der Rückgang der Bestäuber bedroht die weltweite Ernährungssicherheit. Lebensmittel, die wir fast täglich konsumieren, wie Äpfel, Gurken, Mandeln, Kaffee und viele Obst- und Gemüsesorten, sind auf die Bestäubung angewiesen. Ohne eine ausreichende Bestäubung würde die Produktion dieser Nahrungsmittel stark zurückgehen, was zu erheblichen Preissteigerungen und Versorgungsengpässen führen könnte.

Ein besonders eindrückliches Beispiel ist die Produktion von Mandeln in Kalifornien, die nahezu vollständig auf Honigbienen angewiesen ist. Während der Blütezeit werden Millionen von Bienenvölkern auf die Plantagen gebracht, um die Bestäubung sicherzustellen. Ein Rückgang der Bienenpopulation würde hier dramatische wirtschaftliche Verluste zur Folge haben.

Handlungswege und Lösungsansätze

Angesichts dieser besorgniserregenden Lage müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um den Rückgang der Bestäuberpopulationen aufzuhalten. Die aktuelle Studie und die UN-Berichte liefern konkrete Ansätze und Empfehlungen:

  1. Förderung der biologischen Landwirtschaft: Die biologische Landwirtschaft, die auf chemische Pestizide verzichtet und artenreiche Agrarökosysteme fördert, kann einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Bestäuber leisten. Diese Form der Landwirtschaft bietet in der Regel vielfältige Lebensräume und Nahrungsquellen für Bestäuber.
  2. Schaffung von Blühstreifen und Schutzgebieten: Der Schutz von natürlichen Lebensräumen sowie die Anpflanzung von Blühstreifen in landwirtschaftlichen Gebieten bieten Bestäubern wichtige Rückzugsorte, in denen sie Nahrung und Nistmöglichkeiten finden. Blühstreifen entlang von Feldern und Wegen können dazu beitragen, den Rückgang der Bestäuber aufzuhalten.
  3. Reduzierung des Pestizideinsatzes: Eine strengere Regulierung des Pestizideinsatzes, insbesondere von Neonicotinoiden, ist von entscheidender Bedeutung. In einigen Ländern wurden bereits Teilverbote für diese Pestizide eingeführt, die zu positiven Entwicklungen bei den Bestäuberpopulationen geführt haben.
  4. Förderung der Forschung: Es ist notwendig, die Forschung zu den komplexen Wechselwirkungen zwischen Bestäubern, Pflanzen und Umweltfaktoren weiter zu intensivieren. Nur durch ein besseres Verständnis dieser Dynamiken können gezielte Schutzmaßnahmen entwickelt werden.
  5. Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung: Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsprogramme sind entscheidend, um das Bewusstsein der Menschen für die Bedeutung der Bestäuber und die Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, zu schärfen. Verbraucher können durch den Kauf von biologisch produzierten Lebensmitteln und durch die Unterstützung nachhaltiger Landwirtschaft ebenfalls einen Beitrag zum Schutz der Bestäuber leisten.

Fazit

Die neue Studie „Global pollinator declines and the impact on biodiversity and agriculture“ und die UN-Berichte zeigen, dass der Rückgang der Bestäuber eine ernsthafte Bedrohung für die weltweite Ernährungssicherheit und die Biodiversität darstellt. Der Schutz der Bestäuber ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Anliegen. Nur durch koordinierte politische Maßnahmen, nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken und das Engagement der Zivilgesellschaft kann es gelingen, den Bestäuberverlust aufzuhalten und die Grundlage unserer Ernährung zu sichern.

Quellen:

  1. Garibaldi, L. A., et al. Nature Ecology & Evolution, 2024.
  2. IPBES (2016). Assessment Report on Pollinators, Pollination and Food Production.
  3. Ollerton, J. (2011). Biological Conservation, 2011.
  4. Potts, S. G., et al. Science, 2016.
  5. Fürst, M. A., et al. Nature, 2014.
  6. Goulson, D., et al. Bumblebee Ecology and Conservation, 2010.

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ich bin Tobias Miltenberger.

Tobias Miltenberger hat Landwirtschaft studiert, ist Imker und Geschäftsführer von proBiene. Seit er Ende der 90er Jahre in einem Entwicklungsprojekt in Südamerika auf die Bienen gestoßen ist, lassen sie ihn nicht mehr los. Tobias lebt mit seiner Familie in Stuttgart.

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