Varroaforschung von Ramsey – Teil 1/3 

Eine überraschende Entdeckung

Die Varroa ist nicht gerade der Freund von uns Bienenhalter*innen. Sie trägt Mitschuld an hohen Winterverlusten und einer starken Krankheitsanfälligkeit unserer Völker. Wenn wir bemerken, dass der Varroabefall unserer Völker zu stark wird, behandeln wir mit aggressiven Säuren, um wieder Herr der Lage zu werden. Dieses kleine Krabbeltier ist uns einfach immer einen Schritt voraus und auf viele Fragen hat die Varroaforschung noch keine Antwort gefunden. Doch woran liegt das?

Diese Frage haben sich leider bisher die wenigsten gestellt. Schließlich haben bisher immer nur versucht, die Milbe zu bekämpfen und deren Schadschwelle möglichst gering zu halten. Die Varroa an sich wurde dabei nur wenig beachtet.
Der amerikanische Student Samuel Ramsey wollte das ändern.

Er begann 2019, die Milbe an der University of Maryland zu studieren und stellte dabei Interessantes fest. Diese dreiteilige Serie handelt von seiner Forschung.

Wie Varroa nach Deutschland kam

Zunächst zu einer grundlegenden Frage: Woher kommt Varroa eigentlich? Schließlich ist sie nicht plötzlich vom Himmel gefallen.
Erstmals beschrieben wurde das kleine Spinnentier im Jahre 1904. Dort wurde es auf Java als Parasit der östlichen Honigbiene (Apis cerana) entdeckt. Bei dieser Art befiehl die Milbe allerdings nur die Drohnenbrut, weshalb A. cerana gut mit dem Befall zurechtkam. Der Übersprung von A. cerana auf die westliche Honigbiene (A. mellifera) folgte etwas später. Da diese Art für Imker*innen einfacher zu handhaben war, verbreitete sie sich rasch auf der ganzen Welt. Folglich gelangte sie so auch bald in das Verbreitungsgebiet von A. cerana. Für die Varroamilbe war das ein Glücksfall. Auf A. mellifera kann sie sich auch von Arbeiterinnenbrut ernähren, was deutlich bessere Bedingungen darstellt. So konnte sich Varroa nun munter auch im Verbreitungsgebiet von A. mellifera vermehren und kam 1977 nach Deutschland.

Absolute Unwissenheit

Zu diesem Zeitpunkt war über die Varroa noch so gut wie nichts bekannt. Schließlich wusste man nicht mal, was Varroa auf den Bienen überhaupt tat. Saugt sie sie aus? Ernährt sie sich von ihr? Oder hält sie sich einfach nur fest?
Alle Studien, die zu diesem Thema zu finden waren, sind – gemäß dem ursprünglichen Verbreitungsgebiet von Varroa – auf Russisch oder Chinesisch. Die Frage, was Varroa auf der Biene treibt, wurde 1960 in der Sowjetunion untersucht und in einem Paper auf Russisch veröffentlicht. Demnach soll Varroa die Hämolymphe, also das Blut der Biene saugen und sich davon ernähren.

Diese Annahme ist heute die gängige Erklärung auf die Frage, was Varroa auf der Biene macht.
Und hier kam Samuel Ramsey in Spiel: Ihm fiel auf, dass ein Zusammenhang zwischen den durch Varroa erzeugten Symptomen und dem Blutverlust fehlte. Die Bienen zeigen bei einem Varroabefall also nicht die Anzeichen, die bei einem Blutverlust zu erwarten wären. Diese Tatsache machte Ramsey skeptisch und er begann, die Studie, auf der die Annahme der blutsaugenden Varroa fußte, zu lesen.
Wie bereits erwähnt, war diese allerdings auf Russisch. Also ließ Ramsey sie übersetzen und siehe da: Es stellte sich heraus, dass der Abstract des Papers fehlübersetzt worden war. Anders als angenommen war dort lediglich veröffentlicht, dass das, wovon sich Varroa ernährt, möglicherwiese das Blut der Biene sein könnte. Genau sei dies aber noch nicht geklärt.

Unerfüllte Erwartungen

Diese Entdeckung führte Ramsey zu der Vermutung, dass Varroa sich eigentlich gar nicht von der Hämolymphe der Bienen ernährt. Bevor er sich jedoch in die Arbeit stürzte, wollte er weitere Hinweise auf die Richtigkeit seiner Vermutung finden. Was würde man also erwarten, wenn Varroa sich von Hämolymphe ernähren würde? Ausgehend von dieser Frage stellte Ramsey drei Erwartungen auf:

  1. Das Verdauungssystem und die Exkremente von Varroa sind ähnlich zu denen von anderen hämolymphfressenden Gliederfüßern
  2. Varroa ist nah verwandt mit anderen hämolymphfressenden Milben
  3. Die Milben halten sich auf der Biene überall dort auf, wo Hämolymphe entnommen werden kann

Diese drei Erwartungen galt es für Ramsey nun zu prüfen.

Zu Erwartung Nr. 1:

Da Blut zum größten Teil aus Wasser besteht, bedarf es eines speziellen Verdauungssystems. Schließlich muss das Tier das ganze Wasser schnell wieder loswerden, um nicht zu platzen. Dafür haben diese Lebewesen ein besonderes Verdauungssystem, dass das Wasser frühzeitig filtert und ausscheidet. Auf diese Wiese können die im Blut enthaltenen Nährstoffe effektiver verdaut werden. Würden diese Tiere das Wasser auf diese Weise nicht loswerden, würden sie anschwellen und schlussendlich platzen. Sieht man sich jedoch das Verdauungssytem der Varroa an, kann man ein solches System nicht finden. Anschwellen und platzen tut die Varroa aber auch nicht. Das ist durchaus ein Grund, etwas skeptisch zu werden.

Des Weiteren wurden auch die Exkremente der Varroa untersucht. Schließlich kann man anhand dessen, was Hinten rauskommt, viel über die Ernährung eines Tieres sagen. So wurde festgestellt, dass die Exkremente der Milbe zum größten Teil aus kristallinem Guanin bestehen. Auch das ist ungewöhnlich für blutfressende Wirbellose. Schließlich ist Guanin normalerweise ein Endprodukt der Fleischverarbeitung.

Zur Verdauung der Varroa kann man ergänzend noch sagen, dass man durch den leicht durchsichtigen Milbenpanzer der Varroa sogar beim Verdauen zusehen kann. Dabei kann man eine weiße, zähe Flüssigkeit erahnen. Das kann sogar den Laien stutzig machen: Schließlich ist das Blut unserer Bienen weder weiß noch zäh.
Erwartung Nr. 1 hat sich somit nicht bestätigt.

Zu Erwartung Nr. 2:

Um Erwartung Nr. 2 näher zu betrachten, musste sich Ramsey lediglich den Stammbaum der Milben ansehen. Hierbei konnte er einfach feststellen, dass Varroa nicht bei den anderen lymphfressenden Milben aufgelistet ist, so wie man es erwarten würde. Stattdessen ist sie viel enger mit Milben verwandt, die eine sogenannte extraintestinale Verdauung betreiben. Das bedeutet, dass diese Milben Verdauungsenzyme in ihren Wirt injizieren, sodass dieser quasi von Innen verflüssigt wird. Die Milbe muss den so entstehenden Nahrungsbrei dann nur noch aufsaugen.
Doch nicht nur auf genetischer Ebene ist Varroa sehr ähnlich zu diesen Milbenarten. Vor allem die Fresswerkzeuge der Milben weisen auffällige Parallelitäten auf.
Ein weiterer Hinweis darauf, dass bezüglich der Ernährung von Varroa noch nicht die ganze Wahrheit entdeckt wurde.

Zu Erwartung Nr. 3:

Um diese Erwartung zu überprüfen, hat Ramsey sich angesehen, wo genau sich die Milben auf der Biene befinden. Seine Ergebnisse sind eindeutig: Zu 95% sitzen die Milben auf der Unterseite des Bienenkörpers zwischen den Panzerplatten (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Varroa auf der Biene (Ramsey, 2019)
Abb. 1: Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Varroa auf der Biene (Ramsey, 2019)

Diese Beobachtung kann man mit hämolymphsaugenden Varroa nicht erklären. Schließlich fließt die meiste Hämolymphe durch den Thorax, um die Flugmuskulatur zu versorgen. Auf diesem sitzen aber nur selten Milben. Außerdem konnte Ramsey beobachten, dass Milben, die sich auf dem Thorax aufhielten, nicht fraßen. Dieses Verhalten zeigt die Varroa nämlich nur, wenn die Wirtsbiene schon tot oder von zu vielen anderen Milben befallen ist. Milben, die auf dem Bienenthorax sitzen, warten nämlich eigentlich nur auf eine andere Biene, die sie besiedeln können. Schließlich ist der Thorax der höchste Punkt auf der Biene und somit ein guter Ort, um auf weitere Opfer zu lauern.

Somit hatte Ramsey auch die letzte Erwartung widerlegt. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass an der ursprünglichen Annahme zur Ernährung der Varroa etwas falsch ist, relativ hoch. Und so begann Samuel Ramsey mit seiner Doktorarbeit.

Zu Teil 2 geht es hier.

Quellen:

https://www.pnas.org/content/116/5/1792

https://www.laves.niedersachsen.de/startseite/tiere/bienenkunde/die-varroa-milbe—vom-nobody-zum-weltweiten-imker-schreck-139116.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Extraintestinale_Verdauung

Hallo,

ich bin Hannah Kullmann.

Hannah absolviert 2021/2022 bei proBiene ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ). Sie hat im Jahr 2021 ihr Abitur gemacht, ist naturwissenschaftlich sehr interessiert und sammelt leidenschaftlich gerne tote Insekten für Ihre Sammlung.

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