Wir brauchen Artenvielfalt – in Laos und Europa 

Es ist ein wunderschöner Sommertag mitten im Juli in der Wilhelma in Stuttgart: Die Sonne strahlt, um uns herum blüht alles in herrlichen Farben; Bienensummen ist zu hören. Unter dem Motto „Bienen sorgen für uns – in Laos und hier“ hat das Hilfswerk MISEREOR, Slowfood Deutschland e.V. und proBiene ca. 30 Interessierte eingeladen. Es wird an dem Nachmittag nicht nur um Bienen gehen, sondern vor allem auch um Artenvielfalt – in Laos wie auch in Deutschland. „Biodiversität ist für unser Überleben sehr wichtig. Das Ökosystem hat von sich aus vorgesorgt: Zu verschiedenen Jahreszeiten sind verschiedene Pflanzen reif. Wenn wir die Natur in Ruhe lassen würden, gäbe es keinen Hunger.“, so Filip Debruyne, Tropenbotaniker und für die Hilfsorganisation Fastenopfer tätiger Projektkoordinator. Er wird uns an dem Nachmittag von den Veränderungen in Laos’ Landwirtschaft berichten und einem besonderen Imkerprojekt.

Einblick in die Welt der tropischen Nutzpflanzen

Zunächst bekommen wir eine Führung durch das tropische Nutzpflanzenhaus der Wilhelma. Hier wachsen u.a. Kaffee, Kakao, Mango, Ananas, Kardamom, Pfeffer, Tee und Bananen. Bei den Bananen meldet sich Filip zu Wort und berichtet, dass in Laos chinesische Großinvestoren ganze Plantagen mit Cavendish-Bananen anpflanzen lassen, da dies weltweit die wirtschaftlich bedeutendste Bananensorte ist. Für deren Anbau werden Wälder gerodet – der foodbag der ländlichen Bevölkerung – und Pestizide eingesetzt, die in die Flüsse gelangen und sich dort in Fischen, Shrimps und Krabben anreichern und damit eine wichtige Versorgungsquelle der Einwohner gefährden. Doch zu den Auswirkungen der Monokulturen später mehr.

Situation der Honigbienen

Nachdem wir das tropische Nutzpflanzenhaus verlassen, statten wir den Bienenvölkern von Summtgart einen Besuch ab, die einen wunderschönen Ausblick über Stuttgart haben. Hier erläutert Imkermeister David Gerstmeier die Situation der westlichen Bienen, die durch Intensivierung der Bienenzucht, Steigerung des Honigertrages zur Gewinnmaximierung und Ausbreitung der Varroamilben geschwächt sind. So geschwächt, das wildlebende Honigbienenvölker ohne imkerliche Betreuung nicht lange überleben. Zudem erzählt David aus dem Leben eines biodynamisch gehaltenen Bienenvolkes, bei dem der Schwarmtrieb nicht unterbunden wird, die Bienen die Waben komplett selbst bauen und deutlich weniger Honig den Völkern entnommen wird, als in der konventionellen Imkerei.

Doch wo liegen die Parallelen zwischen westlicher und laotischer Bienenhaltung und was können wir von den Laoten lernen?

Hintergrundinformationen zu Laos – Waldrodung und Monokulturen

Laos liegt in Südostasien und ist ca. 7 Mal so groß, wie Baden-Württemberg – hat aber nur 7 Millionen Einwohner, wovon 80% von der Landwirtschaft leben. Ca. die Hälfte des Landes war bewaldet mit Regen- und Monsunwäldern. Jedoch findet in den letzten Jahrzehnten großflächige Rodungen statt, die zum einen zum Absinken des Grundwasserspiegels führt – und somit zu einer prekären Trinkwassersituation als auch zum Vernichtung des Lebensraumes von Tieren und Pflanzen. Dies führt zum Aussterben von z.B. Fischen, Reptilien, Säugetieren und Vögeln.[one_second]Tradition von und mit der Natur zu leben

In Laos ist neben dem Buddhismus auch die Naturreligion Animismus noch sehr verbreitet – der Glaube, dass alles eine Seele oder Geist hat – also auch Pflanzen, Tiere, Berge, Flüsse, Sterne usw. Weite Bevölkerungsschichten leben also von und mit der Natur. Die Landbevölkerung kann von Landwirtschaft allein jedoch nicht leben, da diese sehr witterungsabhängig ist. Ihre Ernährung kommt aus zu 50% aus ihrem „foodbag“, dem Wald und der Natur (wilde Pflanzen, Fisch, wilde Tiere), zu 40% aus der Landwirtschaft (Ernte und Vieh) und 10% des Essens wird hinzugekauft aus dem Verkauf von Produkten, die aus dem Wald gewonnen werden. Die Natur und ihr Artenreichtum ist also Ernährungsgrundlage für einen Großteil der Laoten. Und so kennen sie sich auch bestens damit aus! Ein laotischer Farmer kennt im Schnitt 300-500 Spezies – und das sind nur Arten, die er verwerten kann. Ein laotisches Sprichwort besagt “Wenn du weißt, was du isst, weißt du auch, was du erhalten musst, um davon zu leben!“. Allgemeinwissen und Wertschätzung, die der westlichen Welt abhanden gekommen sind… [/one_second]Grund der Rodung ist die Gewinnung von Ackerland u.a. für die Errichtung von Großplantagen ausländischer Investoren für den Export von Bananen, Kaffee, Kautschuk und Gemüse. Diese Monokulturen sind jedoch für Schädlinge als auch Wetterextreme sehr anfällig. Deshalb werden Agarchemikalien eingesetzt, die Schädlinge und Krankheiten vermeiden sollen.

Die Auswirkungen der Rodungen und des Anlegens von Großplantagen sind weitreichend: Die ländliche Bevölkerung verliert mit den gerodeten Waldflächen einen Teil ihrer Nahrungsquelle (siehe Kasten), verkauft ihre Anbauprodukte, um billigere Nahrungsmittel zu erwerben, damit sie den Verlust des „foodbags Wald“ quantitativ ausgleichen können oder geben ihre eigene Landwirtschaft auf und gehen dahin, wo es Arbeit gibt – eben in die Großplantagen. Hier bringen sie importierte Pestizide aus, die z.T. noch nicht mal gelabelt sind – oft weiß keiner, was es ist, wie es dosiert werden muss oder wie gefährlich diese Mittel für Mensch und Natur sind, so Filip. Jedes Jahr sterben 2-3 Farmer durch Pestizidvergiftungen. In den letzten Jahrzehnten hat die Population von Insekten auch in Laos um 20% abgenommen. Die Investoren kaufen zwar Bienenvölker, sprayen aber weiterhin Pestizide – und kaufen so im nächsten Jahr die nächsten Völker.

Traditionelle Bienenhaltung als Wegweiser für eine ökologische Landwirtschaft

AESBO – Verband für die Ausweitung der nachhaltigen Bienenhaltung in Oudomxay – und Partner von MISEREOR fördert die traditionelle Bienenhaltung in Laos und zeigt die ökologischen und ökonomischen Vorteile einer bienenfreundlichen und pestizidfreien Landwirtschaft auf.[one_second]Die ausgeklügelten Abwehrmechanismen der Apis cerana

Die Apis cerana ist eine der acht in Asien vorkommenden Honigbienenarten und sieht unserer westlichen Honigbiene Apis mellifera recht ähnlich. Sie gilt als der ursprüngliche Wirt der Varroamilbe und hat verschiedene Mechanismen entwickelt, um mit der Varroamilbe klar zukommen, z.B. Putzverhalten, kürzere Verdeckelungsdauer der Arbeiterinnenbrut – so dass die Milbe sich nicht beliebig vermehren kann. Zudem hat sie eine Geheimwaffe gegen Angriffe der Asiatischen Hornissen entwickelt: Wittert die Apis cerana eine Hornissenspäherin, signalisiert sie dies anderen Artgenossen durch ein Zittern im Hinterleib. Das ist das Zeitchen für den Gegenangriff. Hunderte Bienen schließen die Hornisse in eine Hitzekugel ein, in deren Inneren eine Temperatur von über 45 °C und eine erhöhte CO2-Konzentration herrscht – was die Hornisse nicht überlebt.

[/one_second]Die Bienenhaltung ist für die Bauern also nicht nur eine weitere Erwerbsquelle, sondern auch Möglichkeit den Ernteertrag und die Biodiversität durch bessere Bestäubung zu verbessern und für Wissenstransfer zu sorgen: Die Bauern informieren und schulen sich gegenseitig über den Umgang mit der Apis cerana (Asiatische Honigbiene). So wird mit relativ kleinen Bienenbehausungen gearbeitet: Klotzbeuten (ausgehölte Baumstämme), Topbar Hives und Lockbeuten für freifliegende Schwärme. Die Bauern bilden selbstorganisierte Imkergruppen und ein Netzwerk, welches auch im Austausch mit Behörden steht, halten Workshops um ihre Erfahrungen zu teilen, besuchen sich gegenseitig in anderen Dörfern, setzen sich für den Walderhalt und den Anbau von Kardamom ein. Im Projekt gibt es zudem Informationskampagnen über die Gefahren des Einsatzes von Pestiziden – für die menschliche Gesundheit genauso wie für die Natur. Die Imkergruppen respektieren die Bienen, Pflanzenvielfalt und medizinische Bedeutung von Bienenprodukten und verbreiten dies in ihrem Umfeld.

Filip Debruyne, Tropenbotaniker und Projektkoordinator für die Hilfsorganisation Fastenopfer
© Markus Wagner

Die Erkenntnisse der nachhaltigen Imkerei aus Laos werden von Filip wie folgt zusammengefasst:

  • Lokale Bienen sind besser angepasst an die lokalen Konditionen (Die Völker der Apis cerana fliegen z.B. in der Regenzeit in den Wald. In der Trockenzeit kehren sie wieder ins freie Land zurück.)
  • Keine Zufütterung, keine Behandlung – die Bienen kommen selber mit der Parasit Varroa zurecht
  • Apis cerana ist die Biene für alle – es sind keine Investitionen notwendig
  • Bienen produzieren keine Süßigkeiten, sondern Medizin – und genießen somit in Laos eine besondere Wertschätzung. Mit Honigwasser wird z.B. Durchfall gestoppt, Wachs wird für Hautprodukte eingesetzt.
  • Varroabefall in Europa ist ein Ergebnis von Massenproduktion und eine Ursache davon ist die Verhinderung des Schwarmtriebes
  • Wir brauchen Biodiversität, denn unterschiedliche Arten können sich an unterschiedliche Klimaveränderungen anpassen.

Hermann Rupp, MISEREOR-Länderreferent für Laos, über die Erfolge in dem kleinen Land

„Unser Projektpartner AESBO bildete rund 400 Kleinbauern zu Imkern aus. Diese Imker stellen Bienenstöcke in der Nähe ihrer Felder auf und bieten im Wald lebenden wilden Honigbienen Raum für die Aufzucht ihrer Brut. Diese Bienen helfen dabei, ihre Pflanzen wie Obstbäume und wilden Kardamom besser zu bestäuben. Dank der Bienen konnten die Bauern ihre Erträge auf den Feldern um bis zu 40 Prozent steigern und so die Versorgung ihrer Familien besser sicherstellen. Das zusätzliche Einkommen, auch durch den Verkauf von Produkten aus Honig und Wachs, konnte genutzt werden, um ihre Kinder in die Schule zu schicken. Diese werden nun nicht mehr als Hilfskräfte auf den Feldern benötigt, sondern können sich auf ihre Schulbildung konzentrieren. Das ist besonders wichtig, da das Bildungsniveau in Laos sehr niedrig ist und viele Kinder schon die Grundschule frühzeitig abbrechen, um zum Familieneinkommen beizutragen.“

Diskussion

Im Anschluss an den Vortrag von Filip Debruyne, nahmen er, David Gerstmeier, Hermann Rupp, bei MISEREOR Referent für ländliche Entwicklung in Asien, Dr. Ursula Hudson, Vorstandsvorsitzende von Slowfood Deutschland und Moderator Tobias Miltenberger von proBiene an einer lebendigen Podiumsdiskussion teil, bei der sich auch ein deutscher Landwirt zum Thema Volksbegehren Artenschutz einbrachte und die Diskussion bereicherte.

Fazit: Wir alle brauchen eine Landwirtschaft, die stärker auf den Erhalt der Artenvielfalt ausgerichtet ist, Politik, die ihre Regulierungsmechanismen darauf ausrichten muss und Verbraucher, die wieder mehr Qualitätsbewusstsein brauchen und Wissen über Produktion von Nahrungsmittel haben. Wir alle brauchen wieder mehr Nähe und Verständnis für die Natur.

“You know what you eat; you protect what you live from! – Wenn du weißt, was du isst, weißt du auch, was du erhalten musst, um davon zu leben!“
laotisches Sprichwort

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ich bin Anke Heidemüller.

Anke Heidemüller war bei uns für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, imkert selbst und setzt sich auch für Wildbienen ein. Sie liebt es, wenn es um sie herum summt und brummt.

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