Keine Gentechnik-Debatte – das gefährdet unsere Bienen.

Eine Reihe von Grünen-Politiker*innen fordern eine neuerliche Debatte zu so genannten neuen Gentechnologie-Verfahren. Wir haben in einem offenen Brief an die beiden baden-württembergischen Grünen-Politikerinnen und Unterzeichnerinnen des Aufrufs, Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und Bundestagsabgeordnete Anna Christmann, heute davor gewarnt. Hier ist der Brief im Wortlaut:

„Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Frau Abgeordnete,
liebe Theresia Bauer, liebe Anna Christmann,

als biodynamische Berufsimker leben wir mit und von den Bienen. Geht es den Bienen gut, geht es unserer Imkerei gut. Geht es den Bienen schlecht, geht es unserer Imkerei schlecht. In kaum einem Beruf spüren die Menschen die Auswirkungen von Umweltveränderungen so direkt. Wenn wir in diesem Frühjahr zu unseren Bienenvölkern raus auf die Grünflächen in und um Stuttgart gefahren sind, haben wir gemerkt: Unsere Bienen leiden. An Viren, die früher hier nicht vorkamen; an einer Landschaft, in der immer weniger nahrungsreiche Arten angebaut werden. Vor allem aber an den Folgen der Klimakrise. Wir glauben: die Biene ist ein Frühwarnsystem für den Menschen. Dieses Frühwarnsystem schlägt immer dann an, wenn der Mensch in Ökosysteme eingreift. Und so schließt sich der Kreis zwischen unseren Bienen und Ihrem jüngsten Vorstoß über Gentechnologie. Wir sind besorgt, wenn sie sich mit Ihrem Plädoyer für die „neue Gentechnologie“ für einen weiteren Eingriff des Menschen in Ökosysteme einsetzen. Denn eins ist klar: Auch neue Gentechnik ist Gentechnik. Sie ist keine Zukunftstechnologie sondern eine Zukunftsverhinderungstechnologie.

Wir haben im vergangenen Jahr mit vielen gemeinsamen Mitstreiter*innen aus Umweltschutz und bäuerlicher Landwirtschaft ein Volksbegehren für mehr Artenvielfalt in Baden-Württemberg gestartet. Auch auf Wunsch und durch Begleitung der Landesregierung haben wir dieses zu einem Kompromissgesetzentwurf weiterentwickelt.  Dieser Gesetzentwurf macht klar: das Leitbild für eine moderne Land- und Ernährungswirtschaft liegt im sensiblen Umgang mit der Natur, in der Weiterentwicklung ökologischer Verfahren und im Schutz von Lebensräumen vor Eingriffen. Wir waren damals zuversichtlich, dass wir im Ländle alle gemeinsam hinter diesem Leitbild stehen. Dass nun ausgerechnet von einzelnen Grünen-Politiker*innen dieser Konsens hinterfragt wird, verwundert uns. Bitte setzen Sie diesen bundesweit einmaligen Kompromiss zwischen Umweltschutz, allen Landwirtschaftsverbänden und den wesentlichen Parteien nicht aufs Spiel.

Vor allem, weil Sie ohne Not eine Debatte eröffnen, die doch geklärt ist. Der Europäische Gerichtshof hat mit einem Urteil klargestellt: Juristisch sind die neueren Verfahren der Gentechnik genauso zu bewerten wie die alten. Weil auch durch diese Verfahren, und wir zitieren hier, „eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus vorgenommen wird.“ Und wenn wir einmal genetisch mutierte Lebewesen freilassen, können wir diese nie wieder zurückholen.

Das ist uns gerade als Imker wichtig. Denn unsere Bienen sind das empfindlichste Glied in der Landwirtschaft. Als Imker, die auch an einer zukunftsfähigen Bienenhaltung forschen, blicken wir mit Sorge auf die Erfahrungen mit gentechnischen Versuchen. So gab es Bemühungen, mit gentechnisch veränderten Darmbakterien Bienenkrankheiten zu bekämpfen. Dazu zitieren wir Professor Randolf Menzel von der FU Berlin: „Da Bakterien außerordentlich schnell mutieren, lässt sich nicht ausschließen, dass sie ihre Wirkungen auf andere Tiere und den Menschen übertragen. Welche Auswirkungen damit verbunden sein können, ist nicht vorherzusehen. Aus diesen Gründen halte ich die Anwendung dieser Methode außerhalb des Labors für nicht verantwortbar.“ Denn mit dieser Technik lassen sich Arten auch unbeabsichtigt gentechnisch manipulieren, was im schlimmsten Fall zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme führen könnte. Soweit darf es nicht kommen!

Nun schreiben Sie, das gegenwärtige Innovationstempo reiche zur Rettung von Klima und Umwelt nicht aus. Wir glauben: Nicht das Innovationstempo, sondern das politische Handlungstempo ist zu gering. Sie können politischen Gestaltungswillen nicht durch technologische Geschwindigkeit ersetzen. Die Lösungen für eine widerstandsfähige Land- und Ernährungswirtschaft liegen doch vor, sie werden nur politisch nicht verbindlich eingefordert. Wir verweisen auf die Innovationspotenziale durch ökologische Landwirtschaft, durch die Wiedereinführung intelligenter Fruchtfolgen, durch regenerative Landwirtschaft und die Revitalisierung von Böden. Wir verweisen darauf, dass mehr als ein Drittel aller Nahrungsmittel weltweit vernichtet werden, weil die Verteilung nicht funktioniert. Und dass 70 Prozent der Agrarflächen für die Fleischproduktion benutzt werden, obwohl das ineffizient ist und wir dort besser Hülsenfrüchte für Milliarden zusätzlicher Menschen anbauen würden. Wer nun die Debatte um die Gentechnologie neu entfacht, lenkt von all diesen Themen ab. Wer so handelt, redet jenen das Wort, die morgen auf Innovation hoffen, um heute nichts an ihrem Handeln ändern zu müssen.

Die Tübinger Ökologie-Professorin Katja Tielbörger bemängelt, dass lediglich Biotechnolog*innen die Technik befürworten, Ökolog*innen aber eben nicht. Sie sagt: „Wir wissen aus der Invasionsforschung, dass neue Organismen komplette Ökosysteme umkrempeln können. Die Risiken sind zwar sehr gering. Aber wenn man sehr, sehr viele von diesen Organismen hat, wird das Risiko plötzlich hoch.“ Und insofern ist es nicht so, dass sich angesichts der Risiken zwischen „alter“ und „neuer“ Gentechnologie unterscheiden ließe. Und so wird hier lediglich ein erneuerter Versuch unternommen, eine Technologie, die bereits in der Vergangenheit ebenso viele Versprechen gebrochen wie ökologische Gefahren in die Welt gebracht hat, erneut an den Markt zu bringen. Gentechnische Verfahren sind eben generell nicht nachhaltig. Gentechnische Verfahren sind nicht gerecht. Gentechnische Verfahren sind gefährlich.

Wir fänden es konstruktiver, die Diskussion schnell zu beenden, als dass wir erneut eine große gesellschaftliche Debatte und Bewegung um das Thema anstoßen müssen – wir hätten in der Agrar- und Ernährungspolitik mit Blick auf die vereinbarten Reformen von Naturschutz- und Landwirtschaftsgesetz im Ländle eigentlich wichtigeres zu diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen

David Gerstmeier & Tobias Miltenberger

Hallo,

ich bin Tobias Miltenberger.

Tobias Miltenberger hat Landwirtschaft studiert, ist Imker und Geschäftsführer von proBiene. Seit er Ende der 90er Jahre in einem Entwicklungsprojekt in Südamerika auf die Bienen gestoßen ist, lassen sie ihn nicht mehr los. Tobias lebt mit seiner Familie in Stuttgart.

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