Pestizidfreie Kommunen – eine Ermutigung 

Pestizidfrei – warum?

Pestizide sind eines der zentralen Gründe für das Insektensterben. Viele Pestizide sind nachweislich gesundheitsschädigend und dennoch so weit verbreitet, dass sie im Grundwasser und sogar im menschlichen Urin nachweisbar sind. September 2020 wurde eine Studie bezüglich Pestizidrückständen in der Luft veröffentlicht. Diese zeigt, dass sich Pestizide, entgegen der bisherigen Annahmen, auch über weite Strecken über die Luft verteilen und fern ab von landwirtschaftlichen Flächen, wie zum Beispiel in der Innenstadt Berlins oder in Naturschutzgebieten, nachweisbar sind. (Mehr dazu, siehe unten)

Um die Verwendung von Pestiziden drastisch zu verringern, dürfen wir nicht nur Landwirt*innen in die Pflicht nehmen. Auch Kommunen, Hausgärtner*innen, Konsument*innen und was Glyphosat betrifft auch die deutsche Bahn stehen in der Verantwortung. Die Deutsche Bahn ist der größte Einzelabnehmer von Glyphosat in Deutschland!

Fangen wir an den Orten an, an denen wir leben! Wie ist es denn da? Sind unsere Gemeinden schon pestizidfrei?

Über 500 pestizidfreie Kommunen in Deutschland

Über 500 Städte und Gemeinden in Deutschland haben sich mittlerweile verpflichtet, ihre kommunalen Flächen ohne Pestizide, oder zumindest ohne Glyphosat zu bewirtschaften. Der BUND hat dazu einen Ratgeber rausgegeben und unterstützt die Gemeinden vor Ort. Auf der interaktiven Seite (siehe Link am Ende des Artikels) sind alle pestizidfreien Gemeinden aufgeführt. Und vielleicht ist ja deine (bald) auch dabei!?

Hier bei uns in Stuttgart hat die Stadt 2018 beschlossen frei von Glyphosat zu werden. Parks, Friedhöfe, Grünanlagen und das städtische Weingut sind dies bereits. Für Pachtverträge ist das bis 2022 vorgesehen. Andere Pestizide werden allerdings weiterhin ausgebracht. In der Umgebung gibt es sieben andere pestizidfreie Gemeinden. Einige, Kirchheim unter Teck und Bad Urbach, sind dies bereits seit über 20 Jahren.

Viele pestizidfreie Kommunen legen auch insektenfreundliche Blühflächen an. Bei einigen Kommunen ist der Verzicht auf Pestizide auch im Pachtvertrag von kommunalen Flächen verankert.

Pestizideinsatz in Kommunen

Pestizide sind ein Sammelbegriff für Pflanzenschutzmittel und Biozide. Kommunen setzen Herbizide ein, um Wege und Plätze frei von Bewuchs zu halten, Insektizide und Fungizide um in Grünanlagen und Beeten invasiven Arten und Schädlinge zu bekämpfen. Biozide sind chemische Mittel, die u.a. zur Nagetierbekämpfung, Trinkwasserdesinfektion und in Fassadenanstrichen verwendet werden, um Schädlinge und Lästlinge wie Mäuse, Insekten und Algen zu minimieren.

Pestizidfreie Kommunen konkret

Doch wie machen das die Gemeindearbeiter*Innen konkret, wenn sie nicht mehr zur Spritze greifen?

Beikraut kann mechanisch oder thermisch reguliert werden. Für die Pflege von Pflasterflächen gibt es Wildkraut- Bürsten an Fahrzeugen und manche Gemeinden beauftragen auch Lohnunternehmer für eine Heißwasserdampf Bearbeitung. Beete und Grünflächen werden mit Mähgeräten, Hacken und Handjäten gepflegt. Auch Abflammen ist eine Methode, allerdings keine klimagerechte, da sie sehr energieintensiv ist.

Durch das Anlegen von Blühwiesen und einheimische Stauden statt intensiv gepflegter Kurzrasenflächen, verringert sich der Arbeitsaufwand. Gleichzeitig erhöht sich die Artenvielfalt und das Blühangebot für Insekten.

Ausnahmen machen einige Gemeinden bei der Bekämpfung des Buchsbaumzünslers und  des Eichenprozessionsspinners, wobei hier auch möglichst biologische Mittel wie Neem Öl oder Bacillulus thuringiensis Präparate verwendet werden, und beiinvasiven Arten wie dem japanischen Staudenknöterich.

Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig für die Akzeptanz

Die Akzeptanz in der Bevölkerung für etwas naturbelassenere Flächen ist unterschiedlich groß und meist durch eine Einbindung der Bevölkerung und gute Öffentlichkeitsarbeit ausbaufähig. Denn wenn die Bevölkerung sensibilisiert und informiert wird, dass Pestizide die Gesundheit schädigen und neue Schönheitsideale wie eine naturbelassenere Grünflächengestaltung bedrohte Arten und das Klima schützen, steigt die Akzeptanz und das Engagement.

Internationale pestizidfreie Kommunen und Bundesländer

In Österreich setzen bereits 700 der 2095 Gemeinden kein Glyphosat für Gemeindearbeiten mehr ein. In Frankreich verzeichnet das Projekt „Villes & Villages san pesticides“ sogar 1204 Gemeinden, die absolut pestizidfrei sind und weitere 1083 von allerdings insgesamt 35.416 Gemeinden die weitgehend auf Pestizide verzichten, mit Ausnahmen von Orten wie Sportplätzen und Friedhöfen. Auch in den Ländern Portugal, Belgien, Großbritannien, Schweiz, Luxemburg und Spanien gibt es Kampagnen und Initiativen für pestizidfreie Gemeinden.

In Indien gibt es sogar einen ganzen pestizidfreien Bundesstaat. Im Sikkim wird seit 2016 ausschließlich Öko-Landbau betrieben, chemischer Dünger und Pestizide sind im kommunalen als auch im landwirtschaftlichen Bereich verboten.

Das alles geht, Menschen müssen es nur wollen, sich damit auseinandersetzen und alte und neue Wege finden.

Und wie ist es bei dir?

Frag doch bei deiner Kommune nach und setz dich dafür ein, dass sie pestizidfrei wird!

Hier findest Du weitere Informationen zu pestizidfreien Kommunen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz und im KommunalWiki: eine interaktive Karte bei der du nachschauen kannst, ob deine Kommune schon dabei ist und auch eine Beschlussvorlage „Pestizidfreie Kommune“ für den Gemeinderat.

https://www.bund.net/umweltgifte/pestizide/pestizidfreie-kommune/

https://kommunalwiki.boell.de/index.php/Pestizidfreie_Kommune

Mehr zu Glyphosat in unserem Blogartikel:

Glyphosat ist überall – schadet Mensch, Biene und Umwelt

Und hier könnt ihr bezüglich der Studie nachlesen:

Hallo,

ich bin Sarah Thullner.

Sarah Thullner studiert ökologische Landwirtschaft und ist Bienenhüterin. Im Herbst 2020 unterstützt sie proBiene mit Text- und Recherchearbeit.

Wir schwärmen für

Biene, Mensch, Natur.

Du auch? Werde Teil unserer Bewegung. Schließe dich tausenden Anderen an, abonniere unseren Newsletter und erfahre mehr über Bienen- und Artenschutz, ökologisches Imkern und unsere Bildung für nachhaltige Entwicklung.